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ABBA. 100 Seiten

Reclam 100 Seiten
Reclam Verlagerschienen am01.07.2023
Spannende Einblicke in die faszinierende Karriere der erfolgreichsten Popband der Welt Faszination ABBA. Die Geschichte dieser Band ist erstaunlich: Zwei schwedische Ehepaare, die knapp zehn Jahre lang Musik machen und die ganze Welt erobern. Dann legen sie eine fast vierzigjährige Pause ein, um schließlich ein sagenhaftes Comeback zu feiern. Wer könnte sich so etwas ausdenken? Musikexperte Jan Wiele erzählt die märchenhafte Karriere von Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid. Er nimmt uns mit auf eine musikalische Reise zwischen Folk-Tradition und Disco-Moderne, zwischen Nahbarkeit und Inszenierung und gibt Einblicke in ABBAs hohe Kunst des Songwritings.

Jan Wiele ist Feuilleton-Redakteur der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' mit den Schwerpunkten Literatur und Popmusik. Im Januar 2023 hat er Björn Ulvaeus für ein großes Interview getroffen. Bei Reclam erschien zuletzt der gemeinsam mit Uwe Ebbinghaus herausgegebene Band 'Drop It Like It's Hot. 33 (fast) perfekte Popsongs'.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00

Produkt

KlappentextSpannende Einblicke in die faszinierende Karriere der erfolgreichsten Popband der Welt Faszination ABBA. Die Geschichte dieser Band ist erstaunlich: Zwei schwedische Ehepaare, die knapp zehn Jahre lang Musik machen und die ganze Welt erobern. Dann legen sie eine fast vierzigjährige Pause ein, um schließlich ein sagenhaftes Comeback zu feiern. Wer könnte sich so etwas ausdenken? Musikexperte Jan Wiele erzählt die märchenhafte Karriere von Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid. Er nimmt uns mit auf eine musikalische Reise zwischen Folk-Tradition und Disco-Moderne, zwischen Nahbarkeit und Inszenierung und gibt Einblicke in ABBAs hohe Kunst des Songwritings.

Jan Wiele ist Feuilleton-Redakteur der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' mit den Schwerpunkten Literatur und Popmusik. Im Januar 2023 hat er Björn Ulvaeus für ein großes Interview getroffen. Bei Reclam erschien zuletzt der gemeinsam mit Uwe Ebbinghaus herausgegebene Band 'Drop It Like It's Hot. 33 (fast) perfekte Popsongs'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783159621852
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Seiten100 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3801
Artikel-Nr.12533466
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Weltmusik aus Viggsö

Über den Bildschirm irgendeiner Karaokebar läuft irgendwo auf der Welt genau jetzt, in diesem Moment, der schrittweise sich von Grün zu Rot färbende Text von »Dancing Queen«, und jemand singt dazu: »Friday night and the lights are low / Looking out for a place to go«. Vielleicht ist es ein einsamer älterer Mann, der die Zeilen mit Elvis-Stimme ins Mikrofon säuselt, während hinten in der Bar jemand betreten zu Boden schaut; vielleicht ist es eine junge Frau, die gerade ihre erste Trennung erlebt hat, was sie selbst und andere zu Tränen rührt und dann doch zum Tanzen führt. Vielleicht sind es zwei junge Mädchen, die von weiteren Freundinnen angefeuert werden; vielleicht ist es ein queeres Paar, das sich gegenseitig versichert: »You are the dancing queen«. Oder es ist eine nicht genau erkennbare Person mittleren Alters, die man nur von hinten sieht, wie sie sich im ABBA-Museum in Stockholm eher verstohlen in die Karaokekabine begibt, in der jeder für sich, unter Kopfhörern versteckt, spielerisch zum ABBA-Mitglied werden kann - und die dann aber, als sie sich selbst in einer Animation zwischen den tatsächlichen Bandmitgliedern auf der Bühne sieht, völlig aus sich herausgeht: »You can dance, you can jive / Having the time of your life«.

ABBA holt alle ab. Auch die, die das zunächst nicht erwartet haben oder sich dagegen sträuben. Aber gegen gewisse ABBA-Songs ist man einfach machtlos, sie überwältigen einen, ob mit Euphorie oder auch mit Trauer. ABBA ist eine Band der extremen Gefühle, verwandelt in Musik und Text. Und ABBA löst extreme Reaktionen aus - ob jene kreischender Fans, die den geläufigen Impressionen der Beatlemania kaum nachstehen und deshalb auch den Begriff Abbamania geprägt haben, oder solche der heftigen Abwehr: Diese Klänge, diese Kostüme seien doch der reinste Kitsch!

Von denen, die bereits erwachsen waren, als ABBA bekannt wurde, oder die mit der Musik aufgewachsen sind, hört man immer wieder den Satz, dass man die Band »damals ja nicht gut finden durfte«. Oft gefolgt von der Äußerung: »Aber ich fand sie eigentlich trotzdem gut.« Auch für die professionelle Kritik galt und gilt ABBA als guilty pleasure, also als etwas, was man nur heimlich und »schuldbewusst« goutieren darf. Ein schwedischer Musikjournalist erinnert sich in einer Fernsehdokumentation, dass die Gruppe in den 1970er Jahren in ihrer Heimat ein »No-Go« gewesen sei: so peinlich, dass man sich nicht getraut habe, über sie zu schreiben. Für den amerikanischen Rockkritiker Robert Christgau war sie schlicht »der Feind«.

Alles Mögliche ist gegen ABBA einzuwenden. Aber wenn man den jeweiligen Einwand prüft, lässt sich doch oft schnell ein Gegenargument finden. Sie seien keine echten Rocker - nein, eingestandenermaßen nicht, und dennoch haben sie bemerkenswerte, auch bemerkenswert harte Rocksongs aufgenommen; sie seien nur auf den Discozug aufgesprungen - von wegen: Sie haben das Disco- und Electrogenre entscheidend geprägt und inspirieren damit die Tanzmusik bis heute; sie machten nur billige Schlagermusik - wer das behauptet, muss verrückt sein.

Für die Nachgeborenen, die erst in den späteren Achtzigern, in den Neunzigern oder in der Zeit bis heute auf ABBA aufmerksam wurden und werden, stellt sich die Frage der Haltung zu ihnen etwas anders, aber auch nicht unbedingt auf einfachere Weise: Zum einen setzte nach dem vermeintlichen Ende der Gruppe von 1982 schon wenige Jahre später ein ABBA-Revival ein, das sie noch größer und erfolgreicher machte - und damit zu einer regelrechten Industrie, siehe die Kompilation ABBA Gold, eines der erfolgreichsten Alben aller Zeiten, sowie das ABBA-Musical Mamma Mia! und dessen Verfilmung. Zum anderen ist man seit den 1980ern mit einer Fülle von ABBA-Parodien und witzig-kritischen, aber auch gehässigen Bezugnahmen konfrontiert. Alles zusammen macht es eher noch schwerer, sich zu ihnen zu bekennen.



Auf dem Weg zur Insel: ABBA 1974



Gewiss, ABBA ist in mancher Hinsicht Kitsch - aber ebenso wird man feststellen müssen, wie komplex manche Komposition ist und womöglich auch wie hintergründig und gewitzt, in der Musik wie im Text. Gleiches lässt sich über Arrangement und Produktion sagen. Darüber hinaus ist sehr vieles an dieser Band wirklich erstaunlich, fast schon sagenhaft. Eine Band, in der alle Mitglieder vor der Gründung schon auf Schwedisch singend erfolgreich waren und dann auf Englisch singend zu Weltstars wurden. Zwei Liebespaare, deren Songs sich oft wie eine persönliche Beziehungsbiographie verstehen lassen und dabei gleichzeitig überindividuell und universell verständlich sind, die verstanden und geschätzt werden von Menschen verschiedener Generationen, verschiedener sexueller Identität und Orientierung. Eine Band, die wohl die längste Pause der Popgeschichte eingelegt hat, und die dann, fast vierzig Jahre nach ihrer Auflösung, ein umjubeltes Comeback feierte. Und schließlich eine Band, die lange für eine gewisse Traditionalität stand und die dann im hohen Alter noch einmal die neueste Technik umarmt hat, um sich in einem eigens geschaffenen Theater in digitale Avatare aus der Phase ihres größten Erfolgs zu verwandeln und dort wohl auch weit über ihren Tod hinaus fortzuleben!


Einflussangst? Einflusslust!

Ihre Einflüsse und Vorbilder zu benennen, haben Benny Andersson und Björn Ulvaeus sich nie gescheut. Immer wieder haben sie dabei vor allem die Beatles und die amerikanischen Songschreiberduos Leiber/Stoller und Goffin/King erwähnt. Ausführlich hat sich Benny Andersson zu diesem Thema anlässlich der Aufnahme ABBAs in die Rock and Roll Hall of Fame 2010 geäußert. Er blickte zurück auf erste Hörerlebnisse mit einem schwedischen Radiosender in den 1950er Jahren, der Klassik, Jazz, italienische Arien und französische Chansons, deutschen Schmalz und Märsche von John Philip Sousa gespielt habe; außerdem nannte er zusätzlich zu den bereits genannten Einflüssen die Beach Boys, Joni Mitchell, Chuck Berry und die Kinks. Vom amerikanischen Blues indes habe ABBA nichts geerbt. Das war aber wohl auch gar nicht nötig, denn, so Andersson, wer oberhalb des 59. Breitengrades lebe, wo die Sonne für zwei Monate im Jahr verschwinde und es sechs Monate lang schneie, der stamme ja ohnehin aus dem »Melancholiegürtel«. Die daraus resultierende Niedergeschlagenheit spüre man etwa innerhalb der schwedischen und russischen Volksmusik, in den Werken des Norwegers Edvard Grieg und des Finnen Jean Sibelius oder in den Filmen Ingmar Bergmans oder in der Stimme Greta Garbos - und in so manchen ABBA-Melodien setze sie sich fort, so Andersson.


Diese sagenhafte Band kommt, zugespitzt gesagt, aus dem Wald und ihre Musik aus einer kleinen Hütte. ABBA ist im Herzen eine Folkband, man könnte sogar sagen: eine Volksmusikgruppe, wenn der Begriff im deutschen Sprachraum nicht durch die deutsche Geschichte etwas anders konnotiert wäre. In vielen anderen Ländern ist der Unterschied zwischen Folk- und Volksmusik weniger groß, und es gab nicht jenen tiefen Bruch, der alles Volkstümliche und auch das Romantische bis heute verdächtig wirken lässt. In Schweden ist die Popmusik, nicht nur die von ABBA, noch deutlicher aus der Tradition der volkstümlichen Musik hervorgegangen als anderswo. Die musikalische Entwicklung der Bandmitglieder von ABBA geht zudem einher mit dem internationalen Folkrevival, das ab den ausgehenden 1950er Jahren besonders Amerika und England erfasst hatte und das dann, während wenige Hardliner treu am traditionellen Folk festhielten, immer wieder Transformationen durchlief und neue Genres hervorbrachte. Die produktive Auseinandersetzung mit der eigenen Folktradition zeigt sich in Schweden zu jener Zeit exemplarisch etwa an dem wegweisenden Album Jazz på svenska ( Jazz auf Schwedisch ) von Jan Johansson, das 1964 erschien. Der bei einem Unfall 1968 früh verstorbene Pianist experimentierte darauf und auf Folgewerken genresprengend, indem er etwa blue notes in die alten Volksweisen injizierte oder diese mit seinem Jazztrio völlig sprengte.

Für die Entwicklung der Popmusik in Schweden sind ferner die sommerlichen Festivals in den »Folkparken« von kaum zu überschätzender Bedeutung: »Seit den 1930er Jahren wurden im gesamten Land Tausende kleiner Bühnen errichtet, auf denen Folk-, später auch Rock- und Popbands auftreten können. Diese Folkparks funktionieren als perfekte Präsentationsplattformen für neue schwedische Künstler, aber auch viele internationale Stars wie Frank Sinatra spielen auf diesen Bühnen«, schreiben Philipp Krohn und Ole Löding über die schwedische Musikszene, aus der ABBA hervorging. Insbesondere der Austausch zwischen den nationalen und internationalen Musikerinnen und Musikern habe die Entwicklung beflügelt. Hinzu kamen die jährlichen Melodifestivalen, die als Vorentscheid über den schwedischen Beitrag zur jeweiligen Ausgabe des Grand Prix Eurovision de la Chanson dienten. Und schließlich gab es die schwedische Hitparade namens Svensktoppen, die im Oktober 1962 in Svärtinge erstmals im Radio auf Sendung ging und die...
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