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Zwölf Rosen in Neapel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Kampa Verlagerschienen am17.06.20211. Auflage
Gelsomina Settembre, von allen nur Mina genannt, ist Sozialarbeiterin in einem der verkommensten Stadtteile Neapels, den Quartieri Spagnoli. Sie selbst stammt aus besseren Verhältnissen, und so mancher wundert sich darüber, mit welcher Verve sich die »Lady« fu?r die Kranken, Schwachen und Armen einsetzt. Nach dem Eheaus mit Claudio, einem distinguierten Richter, der Mina immer noch hinterhertrauert, ist die 42-Jährige eher widerwillig wieder bei ihrer Mutter eingezogen. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: den tollpatschigen, dafür umso attraktiveren Arzt Domenico, der seine Praxis neben Minas Büro hat. Wenn Domenico nur endlich in die Gänge käme ... Unterdessen ist Minas Ex-Mann Claudio mit einem rätselhaften Fall befasst: Ein Serienmörder macht die Stadt unsicher. Nach jedem seiner scheinbar beliebigen Morde findet man eine Vase mit zwölf Rosen am Tatort, einige verblüht, andere noch frisch. Was Claudio nicht weiß: Mina bekommt jeden Tag eine Rose und hat selbst die Ermittlungen aufgenommen.

MAURIZIO DE GIOVANNI, 1958 in Neapel geboren, ist Neapolitaner durch und durch und damit natürlich auch ein Tifoso des SSC Neapel. Als junger Mann interessierte er sich allerdings noch mehr fu?r Wasserball und führte seinen Verein Volturo als Kapitän bis in die Serie A2. Nach dem frühen Tod seines Vaters verließ der studierte Altphilologe seine Heimatstadt, um bei einer Bank in Sizilien zu arbeiten. Zuru?ck in Neapel, begann er Anfang der 2000er Jahre neben seinem Job bei der Banco di Napoli mit dem Schreiben und gewann 2005 einen Wettbewerb fu?r Nachwuchsautoren. Seine Krimis um Commissario Ricciardi, angesiedelt im Neapel der 1930er Jahre, und die Romane um den im heutigen Süditalien ermittelnden Ispettore Lojacondo wurden in zahllose Sprachen übersetzt und von der Kritik gefeiert. De Giovanni ist verheiratet und Vater zweier Söhne.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR17,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextGelsomina Settembre, von allen nur Mina genannt, ist Sozialarbeiterin in einem der verkommensten Stadtteile Neapels, den Quartieri Spagnoli. Sie selbst stammt aus besseren Verhältnissen, und so mancher wundert sich darüber, mit welcher Verve sich die »Lady« fu?r die Kranken, Schwachen und Armen einsetzt. Nach dem Eheaus mit Claudio, einem distinguierten Richter, der Mina immer noch hinterhertrauert, ist die 42-Jährige eher widerwillig wieder bei ihrer Mutter eingezogen. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: den tollpatschigen, dafür umso attraktiveren Arzt Domenico, der seine Praxis neben Minas Büro hat. Wenn Domenico nur endlich in die Gänge käme ... Unterdessen ist Minas Ex-Mann Claudio mit einem rätselhaften Fall befasst: Ein Serienmörder macht die Stadt unsicher. Nach jedem seiner scheinbar beliebigen Morde findet man eine Vase mit zwölf Rosen am Tatort, einige verblüht, andere noch frisch. Was Claudio nicht weiß: Mina bekommt jeden Tag eine Rose und hat selbst die Ermittlungen aufgenommen.

MAURIZIO DE GIOVANNI, 1958 in Neapel geboren, ist Neapolitaner durch und durch und damit natürlich auch ein Tifoso des SSC Neapel. Als junger Mann interessierte er sich allerdings noch mehr fu?r Wasserball und führte seinen Verein Volturo als Kapitän bis in die Serie A2. Nach dem frühen Tod seines Vaters verließ der studierte Altphilologe seine Heimatstadt, um bei einer Bank in Sizilien zu arbeiten. Zuru?ck in Neapel, begann er Anfang der 2000er Jahre neben seinem Job bei der Banco di Napoli mit dem Schreiben und gewann 2005 einen Wettbewerb fu?r Nachwuchsautoren. Seine Krimis um Commissario Ricciardi, angesiedelt im Neapel der 1930er Jahre, und die Romane um den im heutigen Süditalien ermittelnden Ispettore Lojacondo wurden in zahllose Sprachen übersetzt und von der Kritik gefeiert. De Giovanni ist verheiratet und Vater zweier Söhne.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311702931
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum17.06.2021
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1332 Kbytes
Artikel-Nr.5794323
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

5

Minas Büro war das kleinste der drei Zimmer auf der Etage. Der Gynäkologe hatte das größte, da er Platz für den Untersuchungsstuhl und für eine abgetrennte Nische als Umkleidemöglichkeit brauchte. Das dritte, kaum benutzte Zimmer war der unnütze Beweis für die Wichtigkeit von Dottoressa Lucilla Monticelli Salvi, einer vermögenden Psychologin, die im letzten halben Jahr ganze drei Mal in ihrer Praxis aufgetaucht war, was sie sich als Ehefrau eines bekannten Chefarztes problemlos leisten konnte.

Zugegeben, als Psychologin hatte man es im Spanischen Viertel nicht leicht, waren doch die Bedürfnisse der Klientel sehr unterschiedlich und weit gefasst. »Dottoressa, bei allem Respekt«, hatte eine Patientin, die einen Pass von ihr ausgestellt haben wollte, obwohl sie nicht mal einen Personalausweis besaß, unverfroren zu Minas Bürogenossin gesagt, »aber wenn wir hier über unsere Probleme reden wollen, dann gehen wir zum Heiligen Gennaro.«

Der Zulauf war schon immer niedrig gewesen, wie Dottor Rattazzi erzählt hatte. In einem Viertel, in dem täglich ums Überleben gekämpft wurde und in dem nur wenige Gesetze und gar keine Verkehrsregeln galten, es sei denn, es wurden Pakete überbracht oder (besser noch) staatliche Beihilfen, war die Bezeichnung »professionelle Unterstützung« tatsächlich nicht auf Anhieb verständlich. Auch wenn die Beratungsstelle mit der Zeit eine gewisse Akzeptanz erlangt hatte und nachts nicht mehr regelmäßig um ihr halbwegs neuwertiges Mobiliar und sonstige Gebrauchsgegenstände erleichtert wurde, schwebte über der Etage mit der steilen Stiege nach wie vor eine dunkle Wolke des Misstrauens.

Eine echte Kulturbarriere stellte vor allem das geschliffene Italienisch dar, das von den Mitarbeitern des Beratungsteams gesprochen wurde, eine ebenso unsinnige wie bornierte Marotte. Bei der Monticelli, deren Anwesenheit im Prinzip nur aus ihrem Namen auf dem Praxisschild bestand, war den wenigen Glücklichen, die sie tatsächlich angetroffen hatten, noch dazu ihr nicht gerolltes R nachhaltig im Gedächtnis geblieben. Weiter weg vom Jargon der Straße und dem Gequäke der Smartphones (über die dank großzügiger Werbegeschenke seitens der organisierten Kriminalität auch diejenigen verfügten, die nicht mal ihren eigenen Namen buchstabieren konnten), weiter weg von der Sprache des Volkes als die drei sich konsequent dem neapolitanischen Dialekt verweigernden Doctores musste man erst mal sein.

Wer ein korrektes Italienisch sprach, dem galt es zu misstrauen. Eine einfache, aber unumstößliche Regel. Es war die Sprache der Carabinieri und der Polizisten, jedenfalls der meisten von ihnen, und (noch schlimmer) der Fernsehjournalisten, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Enthüllungsfilme zu drehen versuchten, aber sofort durchschaut und anhand fiktiver Szenarien zum Narren gehalten wurden, nicht zuletzt von den Straßenjungs, die frech und zahnlos in die versteckte Kamera grinsten.

Doch weil es genügend Anlässe gab, bei denen ein Besuch der Beratungsstelle von oben verordnet wurde, hatten sich die meisten Bewohner des Viertels wohl oder übel mit ihr arrangiert.

Hastig lief Mina durch den schmalen Korridor, dessen Wände mit unzähligen Plakaten gepflastert waren. Mit den Jahren waren die Fotomodelle auf den Postern fast alle durch Schmierereien verunstaltet worden, vornehmlich durch übergroße Genitalien, von durchaus kundiger Hand gemalt.

Minas sogenanntes Büro war ein enges, düsteres Zimmer, dessen Tapeten von dunklen Feuchtigkeitsflecken übersät waren. Eine staubige Glühbirne hing wie eine Drohung von der Decke herab, und auf dem wackeligen Schreibtisch thronte ein Computer, der aus grauer Vorzeit zu stammen schien. Jeden Tag dauerte es ein wenig länger, bis das Gerät sich ein- oder ausschaltete; auf vierundzwanzig Stunden hochgerechnet kam man etwa auf eine halbe Stunde insgesamt.

Das Bemerkenswerteste an dem Zimmer war - zumindest in dem Moment - Assunta Ammaturo, genannt Jessica. Sie gehörte zu jenen typischen Müttern des Viertels, die darum wetteiferten, wessen Kinder die geringste Schulbildung aufwiesen. Jessicas sechs Sprösslinge hatten den Rekord aufgestellt, nicht öfter als ein Dutzend Mal in dem für sie zuständigen Bildungsinstitut gesichtet worden zu sein.

Jessica war vermutlich Minas Klientin mit der höchsten Besuchsfrequenz. Die Sozialarbeiterin hatte ihr schon einmal vorgerechnet, dass ein rechtlich einwandfreies Verhalten sie maximal ein Viertel der Energie kosten würde, die sie aufbringen musste, um permanent dem langen Arm des Gesetzes zu entfliehen. Doch die Frau hatte stolz geantwortet, dass für sie Prinzipien nur jenseits des persönlichen Nutzens Gültigkeit besaßen.

Jessicas Ehemann Vincenzo Ammaturo, genannt Diegoarmando, weil sein Talent, den Ordnungshütern ein Schnippchen zu schlagen, in etwa vergleichbar war mit Maradonas Dribblingkünsten, befand sich seit gut zehn Jahren in »vorübergehender Abwesenheit«, was, wie seine Frau gerne richtigstellte, auf einem ebenso perfiden wie spektakulären Justizirrtum beruhte, schränkte man doch seine Gewerbefreiheit ein, sprich: seinen Handel mit zu Unrecht verbotenen Substanzen. Ganz im Sinne der Familientradition war der älteste Sohn, der sechzehnjährige Jonathan Ammaturo, genannt Zettelchen, gemeinerweise in die Fänge einer Polizeikontrolle geraten, als er harmlose Informationen über die Routen eines Geldtransporters an vier Gletscherbrillen tragende Ehrenmänner weitergegeben hatte, die sich einen Scherz mit dem Fahrer erlauben wollten.

Mina war es daher ein Rätsel, wie Jessica sich das nötige Kleingeld für ihren Bedarf an Alltagsgegenständen beschaffte, auf einem Niveau, das sie selbst nur erreicht hätte, wenn sie die Favoritin eines Scheichs geworden wäre, und zwar eines sehr reichen. Allein für ihre Klunker, Schminke und Klamotten gab diese Frau ein Zehnfaches vom Gehalt einer Sozialarbeiterin aus - vorausgesetzt, dieses Gehalt wurde regelmäßig bezahlt und ging nicht mit dreimonatiger Verspätung auf dem Konto ein, weshalb sie, Mina, noch immer auf die heiß geliebte Wohngemeinschaft mit Problem Nummer 1 angewiesen war.

Nicht, dass das Resultat der Mühe wert gewesen wäre. Die Ammaturo, die nervös rauchend in dem winzigen Büro auf und ab tigerte, war alles andere als eine Schönheit, und selbst ihr rasanter Look konnte nicht viel gegen die Natur ausrichten. Mit den üppigen Fettpolstern auf den ausladenden Hüften und den prallen Fußballerwaden erinnerte sie an einen alten Fiat 600, und hätte der Designer ihres kreischend bunten T-Shirts ihre bläulich verfärbten Oberarme gesehen, die aus den viel zu engen Ärmelchen hervorquollen, er hätte seine Künstlerkarriere sofort hingeschmissen.

Zwischen dem Saum des T-Shirts und dem Gummibund der Leggins, die wegen der extremen Dehnung des Stoffs eher hellgrau als schwarz waren, blitzte eine Handbreit nacktes Fleisch hervor. Ein Anblick des Grauens: Der Bauchnabel versank im Fett, und da er mit etwas Glitzerndem garniert war, sendete er jedes Mal, wenn seine Besitzerin ihn durch eine Änderung ihrer Körperhaltung freilegte, befremdliche Signale aus. Ganz zu schweigen von dem dunkelvioletten Streifen unter dem alles abschnürenden Bund der Hose, die nur durch ständiges Hochziehen am Herunterrutschen gehindert werden konnte. Die rückwärtige Ansicht war noch dramatischer: Zwei hübsche Grübchen hatten sich wie tiefe Krater rechts und links der Furche, die die enormen Hinterbacken voneinander trennte, ins Fettgewebe eingegraben.

Die Schuhe der Ammaturo waren gelb. Nicht weiter schlimm, sollte man meinen. Doch das Gelb war so gelb, dass es selbst in einer stockfinsteren Winternacht Scharen von Insekten angezogen hätte. Ganz zu schweigen von den schwindelerregend hohen Absätzen, die in manch einem Land die maximale Traufhöhe überschritten hätten. Doch selbst mit diesen Schuhen erreichte Jessica die ein Meter fünfundsechzig nur dank ihrer leuchtend blau gefärbten Turmfrisur.

Mina verdrehte innerlich die Augen.

»Signora, Sie wissen doch, dass Rauchen hier verboten ist. Außerdem habe ich Ihnen schon tausendmal gesagt, dass Sie draußen warten sollen, wenn ich noch nicht im Büro bin.«

Der unter tonnenweise Lidschatten schwer gewordene Blick ruhte kühl auf der Sozialarbeiterin, um sie anschließend von Kopf bis Fuß zu mustern. Ein riesiges Kaugummi in der Farbe der hochtoupierten Haarpracht, das zwischen den mächtigen Kiefern gemahlen wurde, verstärkte die Ähnlichkeit mit einer nordamerikanischen Kuh im Disney-Stil.

»Mamma mia, wie sehen Sie denn aus! Jedenfalls nicht wie eine Frau. So wird Ihnen garantiert keiner an die Wäsche wollen.«

»Hören Sie, Signora Ammaturo, mein Privatleben tut hier nichts zur Sache, abgesehen davon, dass â¦«

Die Frau lächelte raubtierhaft. Ihre mit einer dicken Schicht violettem Glittergloss bedeckten Lippen gaben zwei schiefe Schneidezähne frei, in die jeweils ein falscher Brillant eingelassen war. Je nach Lichteinfall war die Wirkung grandios: Man hatte das Gefühl, in eine dunkle Höhle zu schauen, die von funkelnden Monstern bewohnt wurde. Mit beiden Kiefern ihr Kaugummi malmend, sagte sie gedehnt:

»Dottoressa, es geht hier nicht um Ihr Privatleben. Es geht darum, wie ungerecht eine Frau behandelt wird, die ohne die dezente Überwachung, die ihr Mann von seinem aktuellen Aufenthaltsort aus organisiert, Scharfschützen an ihren Fenstern aufstellen müsste, um nächtliche Übergriffe zu vermeiden.«

Mina maß ihre Gesprächspartnerin mit einem nachdenklichen Blick. Ihre ganze Erscheinung hatte etwas von einem antiken Tresor, der von einem...
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