Hugendubel.info - Die Online-Buchhandlung für Geschäftskund:innen

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Totes Laub

Der elfte Fall für Gamache
Kampa Verlagerschienen am01.07.2022
Seit einem Jahr genießt Armand Gamache, ehemaliger Chief Inspector der Sûreté du Québec, seinen vorzeitigen Ruhestand in Three Pines. Das Zepter in der berühmten Mordkommission hat er an die nächste Generation übergeben. Doch als man ihm den Posten des Chief Superintendent anbietet, wird er auch von seinen engsten Vertrauten Isabelle Lacoste und Jean-Guy Beauvoir gedrängt zurückzukehren. Gamache hat eigentlich nicht vor, den Dienst wieder aufzunehmen, aber kann er die Füße stillhalten? Zumal eines Nachmittags der neunjährige Laurent Lepage tot im Straßengraben gefunden wird. Scheinbar ein Fahrradunfall, aber Gamache hat daran so seine Zweifel. Der Junge mit der blühenden Phantasie war erst am Vortag mit der wahnwitzigen Geschichte über eine riesige Kanone und ein Monster im Wald in Oliviers Bistro geplatzt. Alle in Three Pines haben darüber gelacht. Wenig später machen Gamache und Jean-Guy einen schrecklichen Fund im Wald. Und Gamache wird klar: Dieses eine Mal hätten sie Laurent glauben müssen.

LOUISE PENNY, 1958 in Toronto geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Angewandten Kunst achtzehn Jahre lang als Rundfunkjournalistin und Moderatorin in ganz Kanada. Mit dem Schreiben begann sie erst spät. Ihr erster Roman Das Dorf in den roten Wäldern wurde 2005 weltweit als Entdeckung des Jahres gefeiert, und auch die folgenden Gamache-Krimis wurden vielfach ausgezeichnet und eroberten die Bestsellerlisten in zahlreichen Ländern. Louise Penny lebt in Sutton bei Québec, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnelt. Weitere Fälle mit Armand Gamache sind in Vorbereitung.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR19,90

Produkt

KlappentextSeit einem Jahr genießt Armand Gamache, ehemaliger Chief Inspector der Sûreté du Québec, seinen vorzeitigen Ruhestand in Three Pines. Das Zepter in der berühmten Mordkommission hat er an die nächste Generation übergeben. Doch als man ihm den Posten des Chief Superintendent anbietet, wird er auch von seinen engsten Vertrauten Isabelle Lacoste und Jean-Guy Beauvoir gedrängt zurückzukehren. Gamache hat eigentlich nicht vor, den Dienst wieder aufzunehmen, aber kann er die Füße stillhalten? Zumal eines Nachmittags der neunjährige Laurent Lepage tot im Straßengraben gefunden wird. Scheinbar ein Fahrradunfall, aber Gamache hat daran so seine Zweifel. Der Junge mit der blühenden Phantasie war erst am Vortag mit der wahnwitzigen Geschichte über eine riesige Kanone und ein Monster im Wald in Oliviers Bistro geplatzt. Alle in Three Pines haben darüber gelacht. Wenig später machen Gamache und Jean-Guy einen schrecklichen Fund im Wald. Und Gamache wird klar: Dieses eine Mal hätten sie Laurent glauben müssen.

LOUISE PENNY, 1958 in Toronto geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Angewandten Kunst achtzehn Jahre lang als Rundfunkjournalistin und Moderatorin in ganz Kanada. Mit dem Schreiben begann sie erst spät. Ihr erster Roman Das Dorf in den roten Wäldern wurde 2005 weltweit als Entdeckung des Jahres gefeiert, und auch die folgenden Gamache-Krimis wurden vielfach ausgezeichnet und eroberten die Bestsellerlisten in zahlreichen Ländern. Louise Penny lebt in Sutton bei Québec, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnelt. Weitere Fälle mit Armand Gamache sind in Vorbereitung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311703105
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.07.2022
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse956
Artikel-Nr.8837625
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

»Also?«

Isabelle Lacoste stellte ihr Glas Cider auf den abgenutzten Holztisch und sah den Mann ihr gegenüber an.

»Sie wissen, dass ich das nicht beantworten werde«, sagte Armand Gamache, nahm sein Bier und lächelte sie an.

»Na ja, da Sie nicht länger mein Vorgesetzter sind, kann ich Ihnen zumindest sagen, was ich denke.«

Gamache lachte. Reine-Marie, seine Frau, beugte sich zu Lacoste und flüsterte: »Was denken Sie denn, Isabelle?«

»Ich denke, Madame Gamache, dass Ihr Ehemann einen vortrefflichen Superintendent der Sûreté abgeben würde.«

Reine-Marie lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Durch die Sprossenfenster des Bistros sah sie eine bunte Gruppe von Kindern und Erwachsenen Fußball spielen, darunter auch ihre Tochter Annie und deren Ehemann, Jean-Guy Beauvoir. Es war Mitte September. Der Sommer war vorbei, und der Herbst stand vor der Tür. Die Blätter an den Bäumen färbten sich bereits. Leuchtende Rot-, Gelb- und Bernsteintöne waren in die Gärten und Wälder getupft. Einige Blätter lagen schon auf dem Rasen des Dorfangers. Die perfekte Jahreszeit. Wenn die späten Sommerblumen blühten und das Laub die Farbe wechselte, das Gras noch grün war und man sich in den frischen Nächten in dicke Pullis kuschelte und die ersten Feuer entfacht wurden. Sodass die Kamine in der Nacht wirkten wie der Wald am Tag, lebendig und leuchtend und fröhlich.

Bald würden alle zurück in die Stadt fahren, jetzt, da das Wochenende vorbei war. Aber für sie und Armand gab es keinen Grund abzureisen. Sie waren schon zu Hause.

Reine-Marie nickte Monsieur Béliveau zu, dem Gemischtwarenhändler, der gerade am Nebentisch Platz genommen hatte, und richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf die Frau, die übers Wochenende zu Besuch gekommen war. Isabelle Lacoste. Chief Inspector Lacoste, die Leiterin der Mordkommission der Sûreté du Québec. Inhaberin des Postens, den Reine-Maries Mann über zwanzig Jahre lang bekleidet hatte.

In Reine-Maries Augen war sie immer die »junge« Isabelle Lacoste. Das war nicht herablassend gemeint, Isabelle war schlichtweg sehr jung gewesen, als Armand sie gefunden, rekrutiert und ausgebildet hatte.

Aber inzwischen zeigten sich erste Fältchen in ihrem Gesicht und einzelne graue Haare. Das schien über Nacht passiert zu sein. Sie hatten Isabelles Verlobten kennengelernt, waren bei ihrer Hochzeit gewesen, bei der Taufe ihrer beiden Kinder. So lange war sie die junge Isabelle Lacoste gewesen, und jetzt, scheinbar plötzlich, war sie Chief Inspector Lacoste.

Und Armand im Ruhestand. Vorzeitig natürlich, aber im Ruhestand.

Reine-Marie schaute wieder aus dem Fenster. Sie waren in ihrer bernsteinernen Zeit.

Oder vielleicht auch nicht.

Reine-Marie richtete ihre Aufmerksamkeit nun auf Armand, der sich in einem der Ohrensessel des Bistros zurückgelehnt hatte und an einem Craftbeer nippte. Entspannt, ungezwungen, amüsiert. Seine ein Meter achtzig waren fülliger geworden. Er war nicht dick, aber kräftig. Ein Pfeiler im Sturm.

Doch es gab keinen Sturm, rief sich Reine-Marie in Erinnerung. Endlich mussten sie nicht länger stützende Pfeiler sein, sondern konnten einfach Menschen sein. Armand und Reine-Marie. Zwei Dorfbewohner. Das war alles. Das war genug.

Für sie.

Und für ihn?

Armands Haar war grauer als je zuvor und lockte sich leicht über den Ohren und am Kragen. Er trug es etwas länger als zu Sûreté-Zeiten. Nicht unbedingt weil es ihm egal war, sondern eher weil er ihm keine Beachtung schenkte.

Hier in Three Pines schenkte man dem Zug der Gänse Beachtung und den stacheligen Kastanien, die an den Bäumen heranreiften, und der Blütenpracht der nickenden Schwarzäugigen Susanne. Der Tonne mit Gratisäpfeln vor Monsieur Béliveaus Gemischtwarenladen. Man schenkte der frischen Ernte auf dem Wochenmarkt Beachtung und den Neuzugängen in Myrnas Buchladen mit Antiquariat. Und den wechselnden Tagesmenüs in Oliviers Bistro.

Reine-Marie stellte fest, dass Armand glücklich war. Und gesund.

Und Armand stellte fest, dass auch Reine-Marie glücklich und gesund war, hier in dem kleinen Dorf im Tal. Three Pines konnte sie nicht vor dem Leid der Welt verstecken, aber es konnte helfen, die Wunden zu heilen.

Die Narbe an Armands Schläfe, die sich durch die Falten auf seiner Stirn zog. Einige davon waren bedingt durch Stress, durch Sorge und Kummer. Aber die meisten, so wie die jetzt sichtbaren, rührten von Freude her.

»Und ich dachte schon, Sie würden mir verraten, was Sie von ihm als Person denken«, sagte Reine-Marie. »All die Macken, die Sie während Ihrer jahrelangen Zusammenarbeit sicher bemerkt haben.« Reine-Marie beugte sich verschwörerisch zu Lacoste. »Kommen Sie schon, Isabelle, verraten Sie s mir.«

Draußen auf dem Dorfanger kämpften die beiden Kinder von Lacoste mit Jean-Guy um den Ball. Der erwachsene Mann schien ernstlich und zunehmend verzweifelt zu versuchen, das Spiel zu kontrollieren. Lacoste lächelte. Nicht mal gegen Kinder konnte Inspector Beauvoir verlieren.

»Sie meinen seine Unmenschlichkeit?«, fragte Lacoste und lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück in das heimelige Bistro. »Seine Inkompetenz? Ständig mussten wir ihn wachrütteln, um ihm die Lösung für einen Fall zu präsentieren, nur damit er dann die Lorbeeren einheimsen konnte.«

»Stimmt das, Armand?«

»Pardon? Ich habe gedöst.«

Lacoste lachte. »Und jetzt gehört Ihr Büro mir. Samt Sofa.« Sie wurde wieder ernst. »Ich weiß, dass Ihnen die Position des Superintendent angeboten wurde. Thérèse Brunel hat es mir im Vertrauen erzählt.«

»Im Vertrauen, soso«, entgegnete Gamache, doch er wirkte nicht verstimmt.

Chief Superintendent Thérèse Brunel, die im Zuge der Neustrukturierung nach all den Skandalen zur Leiterin der Sûreté ernannt worden war, hatte Three Pines vor einer Woche einen Besuch abgestattet. Vorgeblich aus rein freundschaftlichen Gründen. Als sie eines Morgens mit einem Kaffee gemütlich auf der Veranda saßen, bot sie Gamache den Job an.

»Superintendent, Armand. Sie wären für die Mordkommission und die Abteilung für Schwerverbrechen zuständig. Und für die jährliche Weihnachtsfeier.«

Er zog eine Augenbraue hoch.

»Wir haben umstrukturiert«, erklärte sie. »Saint-Jean-Baptiste ist ans Organisierte Verbrechen gegangen.«

Er lächelte, genau wie sie, doch dann wurde ihr Blick wieder ernst, und sie schaute ihn durchdringend an.

»Was müssen wir tun, damit Sie zurückkommen?«

Zu sagen, er hätte das Angebot nicht kommen sehen, wäre gelogen gewesen. Er hatte so etwas erwartet, seit die gesamte Tragweite der Korruption, die er aufgedeckt hatte, offenkundig geworden war und die Sûreté im Chaos versank.

Was die Sûreté jetzt brauchte, war eine klare Richtung und Führung. Und zwar schnell.

»Geben Sie mir ein wenig Bedenkzeit, Thérèse«, hatte er gesagt.

»Ich brauche Ihre Antwort so bald wie möglich.«

»Natürlich.«

Nachdem Thérèse Brunel Reine-Marie zum Abschied auf beide Wangen geküsst hatte, hakte sie sich bei Armand unter, und gemeinsam gingen die beiden Freunde und ehemaligen Kollegen zu Brunels Auto.

»Die Fäulnis in der Sûreté ist beseitigt«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Aber ihre Stärke muss wieder aufgebaut werden. Richtig diesmal. Wir wissen beide, dass Fäulnis neu entstehen kann. Möchten Sie denn nicht Ihren Teil dazu beitragen, die Sûreté gesund zu erhalten? Sie stark zu machen und auf den richtigen Weg zu bringen?«

Sie musterte ihren Freund. Von den körperlichen Angriffen hatte er sich erholt, das war offensichtlich. Er strahlte Stärke und Wohlbefinden aus und eine Art besonnene Energie. Doch nicht die körperlichen Wunden, so schwer sie auch gewesen waren, hatten zu Armand Gamaches Rücktritt geführt. Am Ende war er unter der emotionalen Bürde ins Straucheln geraten. Er hatte genug gehabt von Korruption und Betrug, von einem Betriebsklima, in dem Hinterhältigkeit, Sabotage und Bestechlichkeit an der Tagesordnung waren. Er hatte genug gehabt vom Tod. Chief Inspector Gamache hatte der Sûreté die Fäulnis ausgetrieben, aber die Erinnerungen behielt er. In sich verschlossen.

Würden sie mit der Zeit verblassen?, fragte sich Thérèse Brunel. Mit etwas Abstand? Würde dieses hübsche Dorf sie wegwaschen wie bei einer Taufe?

Vielleicht.

»Das Schlimmste ist vorbei, Armand«, sagte sie, als sie ihr Auto erreichten. »Jetzt steht das Beste bevor, der Spaß. Der Neuaufbau. Möchten Sie nicht daran mitwirken? Oder ist Ihnen das hier«, sie ließ ihren Blick über den Dorfanger schweifen, »genug?«

Sie sah die alten Häuser, die um den Dorfanger standen. Sie sah das Bistro und den Buchladen, die Bäckerei und den Gemischtwarenladen. Sie sah - das war Gamache bewusst - ein schönes, aber verschlafenes Kaff. Während er einen sicheren Hafen sah. Einen Ort, wo die Schiffbrüchigen endlich rasten konnten.

Natürlich hatte Armand Reine-Marie von dem Angebot erzählt, und sie hatten es besprochen.

»Möchtest du es machen, Armand?«, hatte sie gefragt und versucht, ihrer Stimme einen neutralen Ton zu geben.

Aber er kannte sie zu gut.

»Ich glaube, es ist zu früh. Für uns beide. Aber Thérèse hat eine interessante Frage aufgeworfen: Was kommt als Nächstes?«

Als Nächstes?, hatte Reine-Marie gedacht, als er es vor einer Woche ausgesprochen hatte. Und jetzt dachte sie es wieder, im Bistro, unter dem Gemurmel ringsum, das wie ein Fluss an ihr vorbei- und um sie herumfloss. Diese zwei triefenden Wörter waren an ihr Ufer gespült worden und hatten dort Wurzeln geschlagen, Ranken...
mehr