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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang. Oder auch nicht ... (3)

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Arena Verlag GmbHerschienen am15.01.2013
Lise, Bulle und Doktor Proktor sind sich einig: Irgendetwas geht in Norwegen nicht mit rechten Dingen zu. Erst zieht ein verrückt gewordener Kapellmeister alle Menschen in seinen Bann. Dann verspeist der Kunstlehrer plötzlich mit Vorliebe Insekten. Schließlich taucht auch noch ein Mondchamäleon auf, das völlig außer Rand und Band gerät. Für die drei Helden aus der Kanonenstraße ist klar: Irgendjemand muss die Welt vor ihrem Untergang bewahren - auch wenn das alles andere als einfach ist...

Jo Nesbø, 1960 geboren, arbeitete viele Jahre lang erfolgreich als Broker, aber am bekanntesten ist er als Sänger der damals populärsten norwegischen Band «Di Derre» und als Schriftsteller für Kriminalromane. Bereits sein Debütroman wurde zum «besten skandinavischen Krimi des Jahres» gekürt. Inzwischen ist Jo Nesbø der erfolgreichste Autor Norwegens und in über 20 Ländern mit seinen Büchern vertreten. «Doktor Proktor» ist seine erste Kinderbuchfigur.
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Produkt

KlappentextLise, Bulle und Doktor Proktor sind sich einig: Irgendetwas geht in Norwegen nicht mit rechten Dingen zu. Erst zieht ein verrückt gewordener Kapellmeister alle Menschen in seinen Bann. Dann verspeist der Kunstlehrer plötzlich mit Vorliebe Insekten. Schließlich taucht auch noch ein Mondchamäleon auf, das völlig außer Rand und Band gerät. Für die drei Helden aus der Kanonenstraße ist klar: Irgendjemand muss die Welt vor ihrem Untergang bewahren - auch wenn das alles andere als einfach ist...

Jo Nesbø, 1960 geboren, arbeitete viele Jahre lang erfolgreich als Broker, aber am bekanntesten ist er als Sänger der damals populärsten norwegischen Band «Di Derre» und als Schriftsteller für Kriminalromane. Bereits sein Debütroman wurde zum «besten skandinavischen Krimi des Jahres» gekürt. Inzwischen ist Jo Nesbø der erfolgreichste Autor Norwegens und in über 20 Ländern mit seinen Büchern vertreten. «Doktor Proktor» ist seine erste Kinderbuchfigur.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783401802503
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum15.01.2013
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1238270
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1. Kapitel

Weltkrieg und Schluckauf

Es war Nacht in Oslo und es schneite. Große, scheinbar unschuldige Schneeflocken trudelten vom Himmel und bedeckten Dächer, Straßen und Parks der Stadt. Jeder Wettervorhersager hätte wahrscheinlich erklärt, dass es sich bei den Schneeflocken um gefrorenen Regen handelte, der aus den Wolken fiel, aber wissen konnte das niemand mit hundertprozentiger Sicherheit. Vielleicht kamen die Schneeflocken ja vom Mond, der hin und wieder durch Risse in der Wolkendecke lugte und die schlafende Stadt in ein magisches Licht tauchte. Die Schneeflocken landeten auf dem Asphalt vorm Rathaus, schmolzen gleich wieder zu Wasser und liefen als kleine Rinnsale zum nächsten Kanaldeckel, durch die Löcher in das darunterliegende Rohr und von dort in ein Netz aus Abwasserkanälen, das sich kreuz und quer unter der Stadt verzweigte.

Genauso wenig ließ sich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, was sich in der weit verzweigten Kanalisation unter Oslo alles so tummelte. Aber sollte jemand so dumm und todesmutig sein, sich in dieser Dezembernacht dort hinunterzubegeben, wäre dieser Jemand ganz still und würde die Luft anhalten, käme ihm sicherlich das eine oder andere merkwürdige Geräusch zu Ohren.

Tropfendes Wasser, gurgelnde Kloake, raspelnde Ratten, ein quakender Frosch - und mit einer gehörigen Portion Pech - das Geräusch eines gigantischen Gebisses, das sich knirschend zu einem riesigen Maul von der Größe eines Schwimmreifens öffnete, das Geräusch tropfenden Anakondaspeichels und schließlich das ohrenbetäubende Krachen der aufeinanderschlagenden Fangzähne. Danach würde für unseren unseligen Freund garantiert absolute Grabesruhe einkehren. Aber sollte unser Held vom Pech verschont bleiben, würde er in dieser Nacht andere Geräusche hören. Erstaunliche Geräusche. Das Geräusch eines zusammenklappenden Waffeleisens, zischender Butter, leise murmelnder Stimmen, eines Waffeleisens, das wieder geöffnet wird. Und dann: genussvolles, stummes Kauen.

Irgendwann hörte der Schnee zu fallen auf, das Kauen verstummte, die überirdischen Bewohner Oslos erwachten allmählich in einen neuen Tag und begaben sich durch die Dämmerung und den Schneematsch zu ihrer Arbeit und in die Schulen. Und während Frau Strobe ihren Schülern über den Zweiten Weltkrieg erzählte, kroch eine blasse Wintersonne, die mal wieder verschlafen hatte, vorsichtig über die Bergkämme.

Lise saß an ihrem Pult und schaute an die Tafel, an die Frau Strobe WELLTKRIEG geschrieben hatte. Mit Doppel-L. WELTKRIEG musste das heißen. Das machte Lise ganz fertig - sie legte großen Wert auf korrekte Rechtschreibung -, so fertig, dass sie sich nicht mehr darauf konzentrieren konnte, was Frau Strobe von den Deutschen erzählte, die 1940 Norwegen überfallen hatten und denen von ein paar norwegischen Helden derart der Marsch geblasen wurde, dass am Ende die Norweger den Krieg gewannen und seitdem singen konnten: »Der Sieg ist unser, wir haben gewonnen, der Sieg ist unser.«

»Und was haben die andern gemacht?«

»Bei uns meldet man sich, wenn man eine Frage hat, werter Herr Bulle!«, ermahnte Frau Strobe ihn.

»Das ist mir wohlbekannt«, sagte Bulle. »Aber ich kann nicht erkennen, dass Sie deshalb bessere Antworten bekommen. Mein Motto, gnädigste Frau Strobe, ist, das Wort zu pflücken, wenn es vorbeifliegt ⦫ Der winzige, sehr rothaarige und ziemlich sommersprossige Knirps namens Bulle streckte seine winzige Hand in die Luft und pflückte unsichtbare Äpfel. »So! Das Wort pflücken, es festhalten, es beherrschen, ihm Flügel verleihen und es zu Ihnen fliegen lassen ⦫

Frau Strobe senkte den Kopf und starrte mit hervortretenden Augen über den Rand ihrer Brille, die noch einen weiteren Zentimeter auf ihrer langen Nase nach unten rutschte. Und Lise sah zu ihrem großen Entsetzen, dass Frau Strobe die Hand zu ihrem berüchtigten Flache-Hand-aufs-Katheder-Schlag erhob. Das Klatschen von Frau Strobes Handfläche auf der Kiefernholzplatte war grauenerregend. Es heißt, damit hätte sie schon erwachsene Männer zum Weinen gebracht und erwachsene Frauen dazu, nach ihren Müttern zu rufen. Obwohl, wenn Lise es genau überlegte, hatte Bulle das gesagt, und bei ihm konnte man sich nie hundert Prozent sicher sein, dass es auch hundert Prozent stimmte.

»Was haben die gemacht, die keine Helden waren?«, wiederholte Bulle. »Antwortet uns, werte Lehrerin, deren Schönheit nur von ihrer Weisheit übertroffen wird. Antwortet uns und lasst uns vom Becher der Weisheit nippen.«

Frau Strobe nahm seufzend ihre Hand herunter. Lise war fast sicher, hinter der strengen Fassade ein leichtes Zucken ihrer Mundwinkel gesehen zu haben. Frau Strobe war kein Fan von übertriebenem Lächeln und anderer Sonnenscheinmimik.

»Die Norweger, die im Krieg keine Helden gewesen sind«, setzte sie an, »die waren ⦠ähm, die haben die anderen angefeuert.«

»Angefeuert?«

»Ja, sie haben die Helden angefeuert. Und den König, der nach London geflohen war.«

»Mit anderen Worten haben sie also nichts getan«, sagte Bulle.

»Ganz so einfach ist das nicht«, sagte Frau Strobe. »Nicht jeder Mensch kann ein Held sein.«

»Warum nicht?«

»Das versteh ich jetzt nicht ganz.«

»Warum können nicht alle Helden sein?«, fragte Bulle und warf die roten Ponyfransen nach hinten, die nur knapp über sein Pult hinausragten.

In der Stille, die folgte, hörte Lise aus dem angrenzenden Klassenzimmer lautes Gezeter und Hicksen. Das war der neue Werklehrer Gregor Galvanius, den alle nur Herrn Hick nannten, weil er immer Schluckauf bekam, sobald er sich aufregte.

»Truls!«, schimpfte Gregor Galvanius verzweifelt. »Hick. Trym! Hick.«

Lise hörte Truls fieses Lachen und das mindestens genauso fiese Lachen seines Zwillingsbruders Trym, eilige Schritte und eine Tür, die aufgerissen wurde.

»Nicht jeder hat das Zeug zum Helden«, sagte Frau Strobe. »Die meisten Leute wollen einfach nur ihre Ruhe haben und sich um ihren eigenen Kram kümmern, ohne sich allzu sehr mit den Belangen anderer auseinandersetzen zu müssen.«

An dieser Stelle hörte ihr kaum noch jemand zu, weil fast alle aus dem Fenster starrten. Denn über den schneebedeckten und vereisten Schulhof sahen sie Truls und Trym Thrane laufen. Was kein sehr schöner Anblick war, da Truls und Trym derart fett waren, dass ihre Oberschenkel aneinander scheuerten, wenn sie so rannten. Aber ihr Verfolger war kein bisschen eleganter. Herr Hick hüpfte in gebeugtem, x-beinigem Trab wie ein tollpatschiger Elch in Filzpantoffeln durch die Vormittagssonne. Der Grund für die hüpfende und gekrümmte Fortbewegung war der Schreibtischstuhl, der an Herrn Hicks Hintern festgewachsen zu sein schien. Frau Strobe warf einen Blick aus dem Fenster und stieß einen tiefen Seufzer aus.

»Bulle, ich befürchte, einige Menschen sind schlicht und einfach zu gewöhnlich und ohne den geringsten Funken von Heldentum in sich.«

»Was ist mit dem Stuhl?«, fragte Bulle leise.

»Sieht aus, als wäre er an seinem Hosenboden festgewachsen«, sagte Lise gähnend. »Guck mal, jetzt hat er gleich die Schneewehen erreicht ⦫

Gregor Galvanius alias Herrn Hicks Filzpantoffeln begannen, unter ihm ein Eigenleben zu führen. Im nächsten Moment fiel er pardauz! aufs Hinterteil. Das heißt, da sein Hinterteil in dem Stuhl feststeckte und der Stuhl Räder hatte und die Räder gut geschmiert waren und da der Schulhof bis zur Kanonenstraße runter ein ziemliches Gefälle hatte, wurde Herr Hick schlagartig zum unfreiwilligen Passagier seines Schreibtischstuhles, der mit zunehmendem Tempo immer schneller bergab rollte.

»Gütiger Gott!«, platzte Frau Strobe entsetzt heraus, als sie die hektische Fahrt ihres Kollegen aufs Ende der Welt - oder zumindest das Ende des Schulhofes zu - bemerkte.

Ein paar Sekunden lang war es so still, dass nur das Rumpeln der Räder auf der Eisschicht zu hören war, das Scharren der Pantoffelsohlen beim verzweifelten Versuch zu bremsen sowie ein hysterisches Hicksen. Im nächsten Augenblick donnerten Stuhl und Werklehrer in die Schneewehe am Ende des Schulhofes. Und die Schneewehe explodierte mit einem lauten Puff und füllte die ganze Luft mit Pulverschnee. Schreibtischstuhl und Gregor Galvanius waren spurlos verschwunden!

»Mann über Bord!«, brüllte Bulle, sprang auf und hüpfte von Pult zu Pult in Richtung Klassenzimmertür. Alle anderen folgten ihm, sogar Frau Strobe, und eins-zwei-drei waren sie draußen, alle außer Lise, denn die stand mit einem Stück Kreide in der Hand an der Tafel und strich ein L von WELLTKRIEG aus. So. Danach rannte auch sie nach draußen.

Frau Strobe und ein anderer Lehrer versuchten mit vereinten Kräften, Gregor Galvanius, der immer noch in seinem Stuhl feststeckte, aus der Schneewehe zu befreien.

»Wie geht es Ihnen, Gregor?«, erkundigte sich Frau Strobe.

»Hick«, sagte Gregor. »Ich bin blind!«

»Ach was«, sagte Frau Strobe und kratzte den Schnee, der hinter seinen Brillengläsern pappte, mit einem Finger weg. »So ⦫

Galvanius blinzelte benommen und errötete, als er sie sah. »Oh, hallo, Frau Strobe! Hick!«

»Was für ein Spektakel«, sagte Lise zu Bulle, der natürlich als Erster und so schnell am Ort des Geschehens gewesen war, dass er von dem Pulverschnee bedeckt war, den Gregor Galvanius bei der Kollision aufgewirbelt hatte.

Bulle antwortete nicht, er starrte die Kanonenstraße hinunter.

»Stimmt was...


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Jo Nesbø, 1960 geboren, arbeitete viele Jahre lang erfolgreich als Broker, aber am bekanntesten ist er als Sänger der damals populärsten norwegischen Band «Di Derre» und als Schriftsteller für Kriminalromane. Bereits sein Debütroman wurde zum «besten skandinavischen Krimi des Jahres» gekürt. Inzwischen ist Jo Nesbø der erfolgreichste Autor Norwegens und in über 20 Ländern mit seinen Büchern vertreten. «Doktor Proktor» ist seine erste Kinderbuchfigur.