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Das Lichtenstein - Modehaus der Hoffnung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am02.08.20211. Auflage
Ein Jahrzehnt der Hoffnung Berlin, 1928. Im Herzen dieser vor Kreativität flirrenden Modemetropole ist das Warenhaus Lichtenstein ein Ort, an dem unterschiedlichste Menschen aufeinandertreffen: Hedi, einst Ladenmädchen im Lichtenstein, ist inzwischen mit Hannes, dem Konfektionär des Hauses, verheiratet. Sie haben eine Tochter und teilen die Liebe zur Konfektionsmode - bis Hannes sich einer anderen Frau zuwendet. Thea leitet die Schneiderkontrolle und ist glücklich mit ihrer Großfamilie und Ehemann Georg. Einzig ihr Geheimnis um Sohn Carl hütet sie vor ihm. Schauspielerin Ella hat alles, was sie sich erträumt hat: beruflichen Erfolg und mit Galerist Gustav genau den Ehemann, der es versteht, ihr Leben zu teilen. Nur ihre Freundinnen Hedi und Thea wissen um den schönen Schein, den Gustav brutal zerstört. Die Weltwirtschaftskrise wird für das Warenhaus zur Bedrohung. Ludwig Lichtenstein will einen Pakt mit den Nazis eingehen, um die Kassen wieder zu füllen. Sein Plan spaltet die Belegschaft und vertieft den schwelenden Konflikt mit seinem Bruder Jacob.

Marlene Averbeck studierte Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet als freie Autorin und Rechercheurin für Film und Fernsehen und lebt mit ihrer Familie in Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin Jahrzehnt der Hoffnung Berlin, 1928. Im Herzen dieser vor Kreativität flirrenden Modemetropole ist das Warenhaus Lichtenstein ein Ort, an dem unterschiedlichste Menschen aufeinandertreffen: Hedi, einst Ladenmädchen im Lichtenstein, ist inzwischen mit Hannes, dem Konfektionär des Hauses, verheiratet. Sie haben eine Tochter und teilen die Liebe zur Konfektionsmode - bis Hannes sich einer anderen Frau zuwendet. Thea leitet die Schneiderkontrolle und ist glücklich mit ihrer Großfamilie und Ehemann Georg. Einzig ihr Geheimnis um Sohn Carl hütet sie vor ihm. Schauspielerin Ella hat alles, was sie sich erträumt hat: beruflichen Erfolg und mit Galerist Gustav genau den Ehemann, der es versteht, ihr Leben zu teilen. Nur ihre Freundinnen Hedi und Thea wissen um den schönen Schein, den Gustav brutal zerstört. Die Weltwirtschaftskrise wird für das Warenhaus zur Bedrohung. Ludwig Lichtenstein will einen Pakt mit den Nazis eingehen, um die Kassen wieder zu füllen. Sein Plan spaltet die Belegschaft und vertieft den schwelenden Konflikt mit seinem Bruder Jacob.

Marlene Averbeck studierte Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet als freie Autorin und Rechercheurin für Film und Fernsehen und lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423439305
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum02.08.2021
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5702603
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Berlin, im Januar 1928

Thea

Sie trat einen Schritt beiseite, damit die Packjungen den Tisch an ihr vorbeitragen und auf dem geräumigen Treppenabsatz vor der Beletage abstellen konnten. Zwei weitere schleppten vier Stühle die Treppe hinauf, ihnen folgte ein Jungspund mit einem Korb, in dem das Geschirr leise klirrte. Dann trat sie ans Geländer, beugte sich vor und sah nach oben. Zwei weitere Etagen, mindestens noch vier weitere Nachbarn. Sie zuckte mit den Schultern und grinste. Das geplante Picknick würde stattfinden - hier mitten im Treppenhaus dieses feinen Stadthauses.

Thea zog ihren Mantel aus, legte ihn auf die Fensterbank und beobachtete die Packjungen kritisch. Ich hätte darauf achten sollen, ob alles ordentlich eingepackt wird. Hoffentlich nehmen die Gläser keinen Schaden, dachte sie und sah sich um. Der weizengelbe Sisalteppich auf den dunkelbraunen Dielen schaffte eine behagliche Stimmung in Kombination mit den sandfarbenen Wänden. Eine große Fensterfront führte den Blick hinaus in einen Hof, in dessen Dunkel Kastanienbäume zu erahnen waren.

Einer der Jungen nieste.

Empört legte Thea den Finger auf die Lippen, um ihn zu ermahnen, leise zu sein. Dann öffnete sie den Korb, nahm das Tafeltuch aus französischem Leinen heraus und breitete es auf dem Tisch aus.

Die Arme verschränkt, blieb Ella neben dem Tisch stehen. »Und ich? Was mache ich jetzt?«

Thea reichte ihr das Besteck. »Schau nach, ob es blank poliert ist. Wir wollen uns mit unserem Gastauftritt ja nicht blamieren. Und du, Georg«, sie winkte ihrem Mann zu und hob nur minimal die Stimme, »geh bitte mit den Jungs den Rest holen.«

Er nickte, tippte sich an die Mütze und verschwand.

Kurz ruhte Theas Blick auf seinen Schultern, während er gleichmäßigen Schrittes die Treppen hinabeilte. Sie atmete durch und spürte, wie gut er ihr tat, wie sehr seine Anwesenheit ihr immer wieder Ruhe gab. Selbst jetzt, in dieser Aufregung, die flirrend zwischen Anspannung und Freude hin und her pendelte. Gedankenverloren trat sie ans Fenster, öffnete es und zupfte aus dem Efeu, der die Hauswand entlangkletterte, eine Ranke ab. Sorgsam schüttelte sie den Schnee ab, wischte die Blätter trocken und drapierte die dunkelgrün glänzenden Blätter auf dem Tisch.

»Ja, das sieht nach was aus«, flüsterte Ella und schob eine der Stoffservietten zurecht, die, inzwischen zu Kunstwerken gefaltet, den Blick auf sich zogen. Die Gläser funkelten, und der Elfenbein-Ton der Teller harmonierte mit dem Tafeltuch.

»Wenn Gustav sich verspätet, dann â¦«, knurrte Ella. Bevor sie den Satz beenden konnte, ging ein Lächeln über ihr Gesicht. Georg erschien mit dem Tross Packjungen und hatte sowohl Champagner als auch Essen und Gustav im Schlepptau.

»Und ihr meint, es wird funktionieren? Hannes wird es nicht falsch verstehen?« Thea nahm Platz. Es war erstaunlich. Dieser Treppenabsatz vor der Wohnung der Familie Hallberg war größer als die Weddinger Küche, in der sie seinerzeit mit ihren Eltern und den beiden Geschwistern gelebt hatte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Georg den Packjungen Geld zusteckte. Sicherlich würden sie jetzt das Wochenende einläuten. Zum Kaufhaus zurückzukehren, lohnte sich nicht mehr.

Während Ella den Champagner eingoss, füllte Gustav die Teller. »Sicher wird das funktionieren, es ist ein bewährtes Rezept, sich selbst einzuladen«, sagte er. »Dafür müssen wir aber aufhören zu flüstern.«

Thea blickte auf die Wohnungstür, auf das kleine Schild daneben: Hallberg. Nun, liebe Hedi, lieber Hannes, dachte sie und erhob das Glas, auf euch!

Als Georg sich neben sie setzte, fuhr sie ihm beiläufig über den Arm. »Hast du die Kleider heute noch abholen und ins Lichtenstein bringen können? Ist alles fertig geworden?«

»Nein! Jetzt wird hier nicht gearbeitet. Ob die Kleider der fleißigen Näherinnen fertiggezaubert sind und pünktlich von A nach B gebracht wurden, ob die Knöpfe halten und die neu gelieferten Stoffe euren Vorstellungen entsprechen - das hat Zeit bis morgen«, sagte Ella streng und schob sich die überquellende Gabel in den Mund.

»Ich dachte, eben darum geht es heute: um die Arbeit! Ums Lichtenstein und Hannes anstehenden Aufstieg zum Teilhaber«, sagte Georg.

»Ach, ihr Männer! Ihr seid so einfach gestrickt«, erwiderte Ella mit vollem Mund.

Gustav räusperte sich.

Ella hob die Serviette und tupfte sich die Lippen. Dann schob sie den Teller beiseite. »Ein Liedchen könnte nicht schaden«, stellte sie fest. Kurz überlegte sie und wiegte den Kopf. »Wie wäre es mit Bolle reiste jüngst zu Pfingsten?« Sie summte einen Augenblick und begann dann zu singen. Lauthals stimmten die Männer mit ein. Als sie »aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert« schmetterten, öffnete sich die Tür. Durch den schmalen Spalt konnte Thea Hannes erkennen.

Der Gesang geriet ins Stocken. Gustav konnte sich nicht bremsen, sein letztes »janz köstlich amüsiert« verlor sich im Treppenhaus.

Ungläubig blickte Hannes auf die Szenerie vor sich - ein gedeckter Tisch und vier Bekannte. Singend, auf dem Treppenabsatz vor seiner Tür. »Braucht ihr noch einen Kerzenleuchter?«, fragte er nach zwei, drei Atemzügen.

»Oh, du hast recht, das wäre stimmungsvoll«, erwiderte Thea.

»Was soll das?«

»Mein Guter, nun schau doch nicht so misstrauisch. Wir wollen dir gratulieren - du wirst jetzt Kaufhaus-Chef!«, dröhnte Gustav.

»Ich werde kein Chef, ich werde Teilhaber. Und noch ist das nicht in Stein gemeißelt.«

»Ach, dann gratulieren wir eben nur ein bisschen. Und kommen irgendwann noch mal vorbei, um das restliche bisschen zu gratulieren.«

Ella nickte. »Ja, feiern können wir.«

Hedi erschien hinter Hannes und schaute an ihm vorbei. Sie riss die Augen auf und brach in schallendes Gelächter aus. »Was macht ihr denn da? Hättet ihr doch was gesagt, wir hätten euch einfach mit eingeladen.«

»Ja, aber dieses ganze Kaufhaus-Gerede«, sagte Ella, winkte ab und verdrehte die Augen. »Wir dachten, hier draußen können wir die schmutzigen Witze reißen.«

Nun tauchten im Hintergrund zwei weitere Paare auf. Thea erkannte Dr. Klinger. Der, wenn sie recht informiert war, an der Charité arbeitete, ein sportlicher Mann, enorm tennisbegeistert. Seine Frau Tamara, ein nahezu ätherisches Wesen, kaufte regelmäßig im Lichtenstein ihre Garderobe. Das andere Paar hatte sie noch nie gesehen.

Hedis Wangen glühten. Ohne ein weiteres Wort verschwand sie. Kurz darauf erklang das Grammofon.

Eine Tür im Stockwerk über ihnen wurde geöffnet. Ein Nachbar schaute am Geländer herab. »Was ist denn hier los?«

»Wir feiern die Beförderung vom Hallberg oder so was Ähnliches. Kommen Sie runter, es gibt genug Champagner«, rief Georg jovial.

Noch im Hausmantel kam der Nachbar die Stufen herabgeeilt. Thea war sicher, er hatte nicht einmal seine Wohnungstür geschlossen.

Die markanten Bläsersätze von Shake that thing eroberten das Treppenhaus. Nun hielt es Ella nicht mehr auf dem Stuhl, sie zerrte Hedi mit sich, die dabei war, einen Rollwagen voller Weinflaschen und Gläser ins Treppenhaus zu schieben. Sie versuchte nicht einmal, sich der Begeisterung der Freundin zu entziehen. Beide wiegten sich im Takt, ließen die Knie wackeln, rissen die Arme in die Luft und lachten ausgelassen.

Thea wippte mit dem Fuß im Takt, hörte einen Korken knallen. Tamara Klinger begann zu rauchen. Zwei weitere Nachbarn kamen die Treppen herauf. Sie blieben erstaunt stehen und bekamen von Dr. Klinger Getränke angeboten.

Verstohlen glitt Theas Blick nun an Hannes hinab, der an die Wand gelehnt stand, den Gehstock locker in der Hand. Nichts an seiner Haltung hätte darauf schließen lassen, dass sich unter der Anzughose ein künstliches Bein verbarg. Sie wollte sich gerade erheben, als Hannes sich zu ihr an den Tisch setzte. Sofort lehnte sie sich zurück und griff ihr Glas. Schaute konzentriert auf die silbern glänzenden, aufsteigenden Perlen. »Ich hoffe, du nimmst uns das hier nicht übel?«, fragte sie.

Inzwischen hatten sich auch die Nachbarn, die eben erst die Treppe heraufgekommen waren, ihrer Mäntel entledigt und tanzten.

Hannes wirkte unschlüssig. Dann schob sich ein Grinsen über sein Gesicht. »Na ja, ich habe den Verdacht, es geht weniger um meine Teilhaberschaft. Euch geht s doch nur darum, das Tanzbein zu schwingen. Oder den Rausschmiss aus unserer Wohnung einzuläuten.«

»Bei dem Lärm könnte euch das passieren. Wenn du deine Gäste nicht im Griff hast, können wir nichts dafür.« Thea zuckte beiläufig die Schultern, ihr Blick blieb an Hedi hängen. Sie trug ein knielanges Kleid, das Hannes im letzten Herbst entworfen hatte. Eigentlich als Nachmittagskleid gedacht, machte es sich durch den dunkelgrünen Crêpe Georgette auch am Abend gut. Die Taille lag im Rücken tief, an den Hüften saß es eng, darüber weit und in weichen Wellen fallend. Schmale Träger betonten die Schultern. Ein Kleid, das Hedis schlanke Silhouette unterstrich. »Und um deine Frau geht es auch. Sie fehlt im Lichtenstein.«

Hannes beobachtete die Tanzenden, denen sich die Ätherische angeschlossen hatte. »Hedi war doch letzthin wieder im Lichtenstein zu Besuch.«

Thea spürte einen Hauch Verärgerung in sich aufsteigen. Jahrelang hatte sie mit Hedi zusammengearbeitet, sie an sechs Tagen die Woche bis zu zwölf Stunden gesehen. Sie hatten die Pausen miteinander verbracht und am Abend die Elektrische genommen. Seitdem die kleine Lou auf der Welt war, hatte sich...

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