Hugendubel.info - Die Online-Buchhandlung für Geschäftskund:innen

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Schweigend steht der Wald

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am28.08.20131. Auflage
Wolfram Fleischhauers großer Spannungsroman vom Gedächtnis der Natur - als Spielfilm in den deutschen Kinos! Anja Grimm kehrt in das entlegene Waldgebiet zurück, in dem ihr Vater spurlos verschwand, als sie acht Jahre alt war. Ihr plötzliches Auftauchen löst einen brutalen Mord aus. Verdächtige Bodenproben und rätselhafte Zeigerpflanzen im Wald bringen Anja bald auf die Spur tieferer Schichten von Schuld und Verbrechen und beschwören eine Katastrophe herauf... Der Wald-Thriller in der Verfilmung von Saralisa Volm, mit Henriette Confurius, Noah Saavedra und August Zirner in den Hauptrollen »Traulich und hold ist hier nichts: grausige Höfe, dörfliche Vetternwirtschaft und brauner Sumpf, atmosphärisch dicht erzählt.« Bücher »Mystischer Wald, Todesfälle und deutsche Vergangenheit: Fleischhauer verpackt hier gewichtigen Inhalt in eine Erzählung, die mit leichter Feder geschrieben ist.« Buchkultur »Absolut empfehlenswert.« krimi-couch.de

Wolfram Fleischhauer, geboren 1961 in Karlsruhe, zählt zu den besten und meistgelesenen deutschen Erzählern. Er studierte Literatur in Deutschland, Frankreich, Spanien und den USA und gehört zu den wenigen deutschen Autoren, die auch international sehr erfolgreich sind. Mit der Satire 'Fikkefuchs' (2017) und der Verfilmung seines preisgekrönten Thrillers 'Schweigend steht der Wald' - ab Oktober 2022 im Kino - erzählt er seine Geschichten inzwischen auch auf der Leinwand.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWolfram Fleischhauers großer Spannungsroman vom Gedächtnis der Natur - als Spielfilm in den deutschen Kinos! Anja Grimm kehrt in das entlegene Waldgebiet zurück, in dem ihr Vater spurlos verschwand, als sie acht Jahre alt war. Ihr plötzliches Auftauchen löst einen brutalen Mord aus. Verdächtige Bodenproben und rätselhafte Zeigerpflanzen im Wald bringen Anja bald auf die Spur tieferer Schichten von Schuld und Verbrechen und beschwören eine Katastrophe herauf... Der Wald-Thriller in der Verfilmung von Saralisa Volm, mit Henriette Confurius, Noah Saavedra und August Zirner in den Hauptrollen »Traulich und hold ist hier nichts: grausige Höfe, dörfliche Vetternwirtschaft und brauner Sumpf, atmosphärisch dicht erzählt.« Bücher »Mystischer Wald, Todesfälle und deutsche Vergangenheit: Fleischhauer verpackt hier gewichtigen Inhalt in eine Erzählung, die mit leichter Feder geschrieben ist.« Buchkultur »Absolut empfehlenswert.« krimi-couch.de

Wolfram Fleischhauer, geboren 1961 in Karlsruhe, zählt zu den besten und meistgelesenen deutschen Erzählern. Er studierte Literatur in Deutschland, Frankreich, Spanien und den USA und gehört zu den wenigen deutschen Autoren, die auch international sehr erfolgreich sind. Mit der Satire 'Fikkefuchs' (2017) und der Verfilmung seines preisgekrönten Thrillers 'Schweigend steht der Wald' - ab Oktober 2022 im Kino - erzählt er seine Geschichten inzwischen auch auf der Leinwand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426420485
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum28.08.2013
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationen18 farbige Fotos
Artikel-Nr.1288449
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2


Die Probe, die Obermüller aus dem vierundzwanzigsten Loch gezogen und daneben abgelegt hatte, sah fast genauso aus wie die der drei vorhergehenden Einschlagstellen. Anja nahm ein neues Datenblatt, trug die Einschlagsnummer ein, maß die Mächtigkeit der aufeinanderfolgenden Bodenhorizonte und füllte die Spalten aus.

Die Humusschicht im Oberboden betrug elf Zentimeter. Im A-Horizont dominierte feinsandiger Lehm, im B-Horizont glimmerreicher, schluffiger Lehm, der mit rötlichem und ockerbraunem Lehm wechselgelagert war. Sogar im C-Horizont bei hundertsechzehn Zentimetern war der Boden noch locker, wies kein Gestein und nur punktuell Verdichtungen auf und enthielt gut sichtbare Feindurchwurzelung. Anja trug alle Einzelheiten ein und schlug dann mehrmals leicht gegen die Unterseite des Bohrstocks. Ein dünner Feuchtigkeitsfilm trat hervor. Sie notierte »gut« und »grundfeucht« unter der Rubrik Wasserhaushalt und trug als Standorteinheit den Code 204+ ein. Dann hörte sie jenseits des Dickichts vor ihr wieder Obermüllers Hammerschläge.

Doch plötzlich war da noch etwas. Der Buchenbestand ging hier in Nadelholz über. Als sie das letzte Mal darauf geachtet hatte, war dort, wo die noch Blätter tragenden Buchen es zwischen ihren Kronen zuließen, kurzzeitig Sonnenlicht zu sehen gewesen.

Inzwischen hatte die Sonne die Feuchtigkeit wieder heruntergedrückt und einen schweren, kühlen Dunst über den Wald gelegt. Anja hielt inne und lauschte. Die Erntemaschine lief nicht mehr. Rührte daher ihr Gefühl, dass etwas anders war als zuvor?

Sie schaute sich um. So einen Wald sah man nicht oft. Überall lag vermoderndes Totholz herum. Wild wuchernde Schlehen und Brombeersträucher machten ein Durchkommen manchmal fast unmöglich. In den letzten Stunden war sie schon mehrmals ganz schön ins Schwitzen gekommen bei dem Versuch, das auf dem Schreibtisch erstellte Raster ihres Probenziehungsplans wenigstens halbwegs einzuhalten. Aber trotz dieser Schwierigkeiten genoss sie die unberührte Umgebung, hielt manchmal inne, um ihren Blick in die verwunschene Tiefe zwischen den dicht stehenden Bäumen wandern zu lassen, weiter und weiter hinein in eine Welt, in der offenbar seit Jahren keine Menschenhand etwas verändert hatte. Doch wenn hier alles unberührt und verlassen war, warum hatte sie dann mit einem Mal so ein merkwürdiges Gefühl?

Sie nahm ihr Klemmbrett unter den Arm, umklammerte instinktiv den Bohrstock fester und ging ein paar Schritte in Obermüllers Richtung. Er konnte nicht weit entfernt sein. Durch die dichte Wand aus Nadelwald vor ihr war er ihrem Blick zwar vollständig entzogen. Auch hörte sie keine Hammerschläge. Aber sollte sie rufen? Unsinn. Obermüller würde sich über sie lustig machen. In zwei Minuten hätte sie zu ihm aufgeschlossen. Plötzlich blieb sie stehen. Zwischen den Fichten hatte sich etwas bewegt. Sie starrte auf die Stelle. Und dann entdeckte sie den Mann. Er stand gut geschützt in einer Gruppe kleinwüchsiger Fichten und blickte durch ein Fernglas direkt zu ihr hin. Jetzt schien er bemerkt zu haben, dass sie ihn gesehen hatte, denn er ließ das Glas sinken, stand reglos da und starrte sie an. Anja hob die rechte Hand. Der Mann reagierte nicht. Ein wenig verwundert, aber noch immer arglos setzte sie sich in seine Richtung in Bewegung. Sie hatte ein freundliches »Grüß Gott« auf den Lippen, als der Unbekannte sich abrupt umdrehte und zwischen den Zweigen verschwand. Das Letzte, was sie von ihm sah, waren sein breiter Rücken und der Lauf eines Gewehrs, der über seine Schulter hinausragte.

Sie erstarrte in der Bewegung. Sie hatte genug über merkwürdige Waldbegegnungen gehört, um zu wissen, dass es nun das Beste war, so schnell wie möglich zu Obermüller aufzuschließen. Ihr war unbehaglich zumute. Gleichzeitig hörte sie eine spöttische Stimme in sich. Was dachte sie denn gleich, nur weil ihr jemand mit dem Fernglas bei der Arbeit zugeschaut hatte? Vermutlich war es ein neugieriger Einheimischer, der sich nicht dafür rechtfertigen wollte, dass er sie beobachtet hatte. Doch eine zweite innere Stimme schlug eine ganze andere Richtung ein: nämlich dass ihr eigenes Gewehr im Auto lag und dass man nie wissen konnte, wer sich ein paar hundert Meter von der tschechischen Grenze entfernt in einem einsamen Waldgebiet herumdrückte. Das hier war eine ziemlich verlassene Gegend, und die Art und Weise, wie dieser Mann plötzlich verschwunden war, nachdem sie ihn bemerkt hatte, ließ alle Warnlampen in ihr aufleuchten. Und noch bevor sie das Dickicht erreicht hatte, das sie durchqueren musste, um zu Obermüller zu gelangen, rief sie plötzlich laut und deutlich: »HOOP! HOOP! HOOP!«

Es dauerte ein paar Sekunden. Aber dann ertönte ein klares: »JOH?«

Sie kämpfte sich durch die Zweige und schaute dann sowohl erleichtert als auch überrascht zu Obermüller hin. Er stand wartend auf einer Lichtung und blickte ihr verwundert entgegen. Der Bohrstock lag vor ihm auf dem Boden, den Querstab hielt er in der Hand. Anjas Verwirrung steigerte sich noch. Wieso war hier eine Wiese?

Während sie sich beeilte, zu Obermüller aufzuschließen, sah sie sich immer wieder um, ob der Mann mit dem Fernglas irgendwo zu sehen war. Aber der Wald hatte ihn wieder verschluckt. Rasch legte sie die letzten Meter zu Obermüller zurück.

»Was ist denn?«, wollte er wissen. »Frühstückspause?«

Anja zog sich Fichtennadeln aus dem Haar und rieb sich die lehmigen Finger an ihrer dunkelgrünen Hose ab. »Da war eben ein Mann im Wald. Er ist bewaffnet. Ist der hier vorbeigekommen?«

»Nein, Frau Grimm«, erwiderte Obermüller förmlich und musterte sie. »Hier war niemand.«

Anja konsultierte ihre Karte. Hatten sie die Orientierung verloren? Oder hatte sie diese Wiese übersehen? Aber ein zweiter, prüfender Blick bestätigte ihr, dass dem nicht so war. Sie standen zweifellos auf der mit Haingries bezeichneten Parzelle, gut zweihundert Meter vom Leybachhof und etwa doppelt so weit vom Gollashof entfernt. Doch auf ihrer Karte war eindeutig Fichtenwald verzeichnet. Sie sah sich um. Unweit der Stelle, wo sie aus dem Wald herausgekommen war, stand ein Hochsitz. Die Kanzel war derart alt und vermodert, dass sie mit dem Rest des Waldes wie verwachsen schien. Sie drehte sich um und nahm den Rest der Wiese in Augenschein. Ein Stück von ihr entfernt stand etwas, das wie eine Kiste aussah. Anja ging darauf zu. Jemand hatte alte Holzlatten zu einem vielleicht vierzig Zentimeter hohen, rechteckigen Verschlag zusammengenagelt. Darin lagen, an einem Holzpflock festgebunden, die Reste eines toten Huhns. Ein Fuchsköder, dachte sie. Sie standen offenbar auf einem Luderplatz.

Sie ging zu Obermüller zurück, der noch immer den Bohrstock in der Hand hielt und sie verwundert beobachtete. Dann hörten sie Schritte. Überrascht fuhren sie beide herum. Der Mann kam am östlichen Rand der Wiese aus dem Wald und marschierte direkt auf sie zu. Mit einem leisen »Jesus Maria« wich Obermüller zurück, während Anja wie angewurzelt stehen blieb.

Der Blick des Fremden war stur auf sie gerichtet. Seine Augen verblieben während der ganzen Zeit, da er auf sie losstürmte, in der gleichen starren, wenig vertraueneinflößenden Stellung. Sein Aufzug war nicht weniger seltsam als sein bedrohliches Auftreten beunruhigend. Er trug klobige, dunkelbraune Schnürstiefel, tiefgrüne Knickerbockerhosen und einen kurzen, schwarzen Ledermantel, dessen Riemen und Schnallen geschlossen waren. Überhaupt nicht dazu passte die blaue Schirmmütze aus Stoff auf seinem Kopf, auf der weithin sichtbar das Logo einer bekannten Düngemittelfirma prangte. An einem breiten Lederriemen über seiner rechten Schulter hing ein Drilling. Die Mündung der Waffe war auf ihre Beine gerichtet, und Anja wusste sehr gut, dass es in dieser Trageposition kein Problem war, den Lauf mit einer Handbewegung anzuheben.

Anja und Obermüller standen reglos da und brachten kein Wort heraus. Anja durchfuhr der Gedanke, dass dieser Mensch sein ganzes Lebensalter auf dem Leib zu tragen schien: Schuhe und Hosen der Nachkriegszeit, eine Lederjacke, die an Staatssicherheit und DDR-Polizei erinnerte, und obenauf eine vermutlich in China genähte Düngemittel-Werbemütze. Alles zusammengenommen passte das zu dem Eindruck, dass der Mann wohl um die sechzig Jahre alt war. Jetzt hatte er sie erreicht. Er baute sich in etwa zwei Meter Entfernung vor ihnen auf und schrie sie an. Was sie hier verdammt noch mal verloren hätten?

So jedenfalls übersetzte sich Anja den Sinn der Wörter, die sich in einem kaum verständlichen Dialekt über sie ergossen. Der kurz zum Sprechen sich öffnende Mund hatte eine unvollständige Vorderzahnreihe enthüllt. Die breite Stirn war gefurcht. Um die dunklen Augen herum, in denen Anja unbändigen Zorn, aber auch eine Spur von Fassungslosigkeit und völligem Unverständnis zu lesen vermeinte, war die Haut schlaff und faltenverwittert. Ein ungepflegter grauer Vollbart bedeckte sein Gesicht und hatte auch die Lippen komplett überwuchert. Nur wenn er sprach, sah man seinen Mund.

»Nehmen Sie bitte sofort die Waffe herunter!«, befahl Anja in einer Schärfe, die sie selbst überraschte. »Und ich meine SOFORT. Haben Sie mich verstanden?«

Aber der Mann reagierte nicht. Er sah sie unverwandt an, rührte sich nicht vom Fleck, schien gar nicht zu begreifen, was sie gesagt hatte, und setzte seine Schimpftirade fort. Das Gewehr baumelte an seiner Seite, aber glücklicherweise schien er sich - jedenfalls im Moment - nicht dafür zu interessieren.

Anja spürte Angstschweiß auf dem Rücken. Hilfesuchend drehte sie sich nach Obermüller um. Der hatte offenbar nur darauf...
mehr

Autor

Wolfram Fleischhauer, geboren 1961 in Karlsruhe, zählt zu den besten und meistgelesenen deutschen Erzählern. Er studierte Literatur in Deutschland, Frankreich, Spanien und den USA und gehört zu den wenigen deutschen Autoren, die auch international sehr erfolgreich sind. Mit der Satire "Fikkefuchs" (2017) und der Verfilmung seines preisgekrönten Thrillers "Schweigend steht der Wald" - ab Oktober 2022 im Kino - erzählt er seine Geschichten inzwischen auch auf der Leinwand.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt