Hugendubel.info - Die Online-Buchhandlung für Geschäftskund:innen

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Vertraute

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am27.01.20221
England im 17. Jahrhundert. Obwohl erst siebzehn Jahre alt, hat Fleetwood Shuttleword bereits drei Kinder zur Welt gebracht. Doch ihr Gatte Richard, Herr über Gawthorpe Hall, erwartet einen männlichen Erben. Um nicht in Ungnade zu fallen, muss Fleetwood ihm diesen Wunsch erfüllen. Doch ihr Leibarzt prophezeit, dass die nächste Geburt für sie den sicheren Tod bedeutet. Nur die Hebamme Alice Gray verspricht ihr Hilfe. Doch gegen Alice werden ungeheuerliche Anschuldigungen erhoben. Angesichts dieser erdrückenden Zwänge suchen die beiden Frauen Halt aneinander ... und drohen doch zu zerbrechen.

Stacey Halls, geboren 1989, wuchs in Rossendale, Lancashire auf. Neben einem Studium in Journalismus schrieb Halls u.a. für den Guardian, Psychologies und The Independent. Ihr erster Roman war in England das meistverkaufte Debüt 2019 und gewann den Betty Trask Award. Schon jetzt wird Stacey Halls als neue Stimme des authentischen historischen Romans gefeiert. »Die Verlorenen« ist ihr zweiter Roman.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextEngland im 17. Jahrhundert. Obwohl erst siebzehn Jahre alt, hat Fleetwood Shuttleword bereits drei Kinder zur Welt gebracht. Doch ihr Gatte Richard, Herr über Gawthorpe Hall, erwartet einen männlichen Erben. Um nicht in Ungnade zu fallen, muss Fleetwood ihm diesen Wunsch erfüllen. Doch ihr Leibarzt prophezeit, dass die nächste Geburt für sie den sicheren Tod bedeutet. Nur die Hebamme Alice Gray verspricht ihr Hilfe. Doch gegen Alice werden ungeheuerliche Anschuldigungen erhoben. Angesichts dieser erdrückenden Zwänge suchen die beiden Frauen Halt aneinander ... und drohen doch zu zerbrechen.

Stacey Halls, geboren 1989, wuchs in Rossendale, Lancashire auf. Neben einem Studium in Journalismus schrieb Halls u.a. für den Guardian, Psychologies und The Independent. Ihr erster Roman war in England das meistverkaufte Debüt 2019 und gewann den Betty Trask Award. Schon jetzt wird Stacey Halls als neue Stimme des authentischen historischen Romans gefeiert. »Die Verlorenen« ist ihr zweiter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492601399
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum27.01.2022
Auflage1
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8126440
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel eins

Ich verließ das Haus mit dem Brief in der Hand, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Der Rasen war feucht vom Morgentau und durchnässte meine rosa Seidenpantoffeln. In meiner Eile hatte ich vergessen, in meine Überschuhe zu schlüpfen. Dennoch lief ich weiter, bis ich die hohen Bäume am Ende der Rasenfläche vor dem Herrenhaus erreichte. Ich hielt den Brief in meiner geballten Faust und betrachtete ihn erneut, um mich zu vergewissern, dass ich ihn mir nicht bloß einbildete, dass ich nicht in meinem Sessel eingeschlafen war und ihn nur geträumt hatte.

Es war ein nebliger und kühler Morgen, der Wind blies von Pendle Hill herab, und obwohl meine Gedanken in Aufruhr waren, hatte ich immerhin daran gedacht, meinen Umhang von seinem Haken im Ankleidezimmer zu nehmen. Flüchtig hatte ich Puck gestreichelt, erstaunt darüber, dass meine Hände nicht zitterten. Weder hatte ich geweint, noch war ich in Ohnmacht gefallen, ich hatte lediglich das Schreiben zusammengefaltet und war leise die Treppe hinuntergeschlichen. Niemand von den Bediensteten hatte mich bemerkt, ich hatte nur im Vorbeigehen einen kurzen Blick auf James erhascht, der in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch saß. Ich überlegte kurz, ob er womöglich den Brief gelesen hatte, da ein Verwalter oft die private Korrespondenz seines Herrn öffnet, hatte den Gedanken aber schnell wieder verworfen und das Haus durch die Vordertür verlassen.

Die Wolken waren grau wie Zinnkrüge und schienen sich jeden Moment entladen zu wollen, also eilte ich über die Wiese in Richtung Wald. In meinem schwarzen Umhang würde ich mit Sicherheit den neugierigen Blicken der Bediensteten an den Fenstern auffallen, und ich wollte in Ruhe nachdenken. In diesem Teil Lancashires war die Landschaft grün und feucht und der Himmel weit und grau. Nur gelegentlich sah man für einen Moment das rötliche Fell eines Rehs oder den blauen Hals eines Fasans aufschimmern.

Noch bevor ich den Schutz der Bäume erreichte, spürte ich, wie mir wieder übel wurde. Rasch raffte ich meine Röcke, damit sie nicht von der Pfütze aus Erbrochenem befleckt wurden, und wischte mir mit meinem Taschentuch den Mund ab. Auf Richards Anweisung hin besprenkelten die Wäschefrauen die Taschentücher mit Rosenwasser. Ich schloss die Augen und atmete einige Male tief durch, und als ich sie wieder öffnete, fühlte ich mich etwas besser. Die Bäume rauschten, die Vögel zwitscherten, und während ich tiefer in den Wald vordrang, verschwand Gawthorpe hinter mir. Das Herrenhaus war aus warmem, gelbem Stein erbaut, lag auf einer Lichtung und wirkte in dieser Gegend ebenso auffällig wie ich selbst. Und obgleich das Haus niemanden vor den Wäldern verbergen konnte, die von jedem Fenster aus zu sehen waren und immer näher an das Gebäude heranzurücken schienen, konnten einen die Wälder zumindest vor Gawthorpe verbergen.

Ich öffnete den Brief, strich die Falten glatt, die sich in meiner kleinen, festen Faust gebildet hatten, und las erneut den Absatz, der mich so aufwühlte:



Ihr werdet unschwer die wahre Natur der Gefahr erahnen, in der sich Eure Frau befand, und mit größtem Bedauern teile ich Euch meine professionelle Meinung als Arzt und Experte in Sachen Wochenbett mit: Als ich sie am vergangenen Freitagabend besuchte, kam ich zu dem zutiefst unerfreulichen Schluss, dass sie keine Kinder bekommen kann und darf. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass Ihr dies versteht: Sollte sie noch einmal ins Wochenbett kommen, wird sie es nicht überstehen, und ihr irdisches Leben wird ein Ende finden.



 

Ich war jetzt außer Sichtweite des Hauses und konnte in Ruhe nachdenken. Mein Herz klopfte wie wild, und meine Wangen glühten. Eine weitere Welle der Übelkeit überfiel mich, ich würgte und hustete, die bittere Galle brannte auf meiner Zunge.

Die Übelkeit kam zu jeder Tageszeit und stülpte mein Innerstes nach außen. An manchen Tagen bis zu vierzigmal, wenn es nur zweimal geschah, konnte ich mich glücklich schätzen. In meinem Gesicht platzten dann die feinen Äderchen und hinterließen ein zartes, karmesinrotes Gespinst um meine Augen, deren Weiß sich dämonisch rot färbte. Der scharfe, ekelerregende Geschmack in meiner Kehle hielt stundenlang an. Ich konnte kein Essen bei mir behalten. Zur Enttäuschung der Köchin hatte ich allerdings auch so gut wie keinen Appetit. Sogar mein geliebtes Marzipan lag in großen, unangetasteten Tafeln in der Speisekammer, wo auch meine eigens aus London gesandten Schachteln mit Kandiszucker verstaubten.

Bei den anderen drei Malen war es nicht so schlimm gewesen. Diesmal jedoch fühlte es sich an, als versuchte das in mir wachsende Kind, durch meine Kehle zu entkommen anstatt zwischen meinen Beinen, so wie die anderen, deren vorzeitige Ankunft sich in roten Bächen an der Innenseite meiner Schenkel angekündigt hatte. Ich hatte zusehen müssen, wie ihre winzigen, leblosen, noch ungestalteten Körper in Leinen gewickelt wurden.

»Das arme Wurm hat s nicht lang gemacht auf dieser Welt«, hatte die letzte Hebamme gesagt und sich das Blut von ihren kräftigen Armen gewischt.

Vier Jahre verheiratet, dreimal im Wochenbett und immer noch keinen Erben, den ich in die Eichenwiege legen konnte, die mir meine Mutter bei der Hochzeit mit Richard geschenkt hatte. Alle sahen mich an, als ob sie furchtbar enttäuscht von mir wären.

Es fiel mir schwer, zu glauben, dass Richard das Schreiben des Arztes kannte und trotzdem einfach zugesehen hatte, wie ich zunahm, als wäre ich ein Truthahn zur Weihnachtszeit. Der Brief war in einem Stapel anderer Dokumente meiner drei Schwangerschaften verborgen, sodass er ihn möglicherweise übersehen hatte. War es richtig von ihm, ihn mir vorzuenthalten? Plötzlich schienen sich die Worte vom Blatt zu lösen und wie eine Schlinge um meinen Hals zu legen. Sie waren von einem Mann geschrieben worden, dessen Namen ich nicht einmal kannte. Bei seinem Besuch hatten mich derart heftige Schmerzen geplagt, dass ich mich an nichts mehr erinnern konnte: weder an seine Untersuchung noch an seine Stimme oder daran, ob er freundlich gewesen war.

Ich blieb jetzt kein einziges Mal stehen, meine Pantoffeln waren bereits mit grünlichem Schlamm beschmiert und völlig ruiniert. Als sich einer von ihnen im Gras verfing und ich ihn verlor, berührte mein bestrumpfter Fuß den nasskalten Boden, und die Grenze des Erträglichen war überschritten. Mit beiden Händen zerknüllte ich den Brief, schleuderte ihn weit von mir und empfand einen kurzen Moment der Befriedigung, als er einige Meter entfernt von einem Baum abprallte.

Hätte ich das nicht getan, dann hätte ich vielleicht niemals neben der Papierkugel die Kaninchenpfote entdeckt. Und gleich darauf auch das dazugehörige Tier - oder vielmehr dessen Überreste: ein zerfetztes Bündel aus Fell und Blut und daneben noch zwei weitere. Ich jagte selbst Kaninchen; aber diese hier waren nicht von einem Jagdfalken oder Habicht getötet worden, der seine Beute sauber schlug, bevor er sie zu seinem Herrn zurückbrachte. Und noch etwas fiel mir ins Auge: der Saum eines braunen Rocks, angewinkelte Knie und darüber ein Körper, ein Gesicht, eine weiße Haube. Nur ein paar Meter entfernt von mir kniete eine junge Frau und starrte mich an. Sie wirkte hellwach und schien auf dem Sprung zu sein. Sie trug ein schlichtes Kleid aus selbst gesponnener Wolle ohne Schürze, weshalb ich sie zwischen all dem Grün und Braun nicht sofort entdeckt hatte. Flachsfarbenes Haar quoll unter ihrer Haube hervor. Ihr Gesicht war lang und schmal, die Augen groß und von ungewöhnlicher Farbe: ein warmes Gold, wie neue Münzen. Ihr Blick hatte etwas Scharfes und Intelligentes, fast Maskulines, und obwohl sie hockte und ich stand, fühlte ich mich für einen Moment, als hätte sie mich ertappt und nicht umgekehrt.

Ein weiteres Kaninchen baumelte leblos in ihrer Faust, ein totes Auge auf mich gerichtet. Sein Fell war rot verschmiert. Auf dem Boden neben der jungen Frau lag ein grob gewebter offener Sack. Sie richtete sich auf. Ein Windstoß rauschte durch die Blätter und Gräser um uns herum. Sie blieb reglos stehen. Nur das tote Tier schaukelte leicht.

»Wer bist du?«, fragte ich. »Was tust du hier?«

Sie begann, die toten Kaninchen eilig in ihren Sack zu stopfen. Mein zerknüllter Brief lag weiß und leuchtend inmitten des Gemetzels,...
mehr

Autor

Stacey Halls, geboren 1989, wuchs in Rossendale, Lancashire auf. Neben einem Studium in Journalismus schrieb Halls u.a. für den Guardian, Psychologies und The Independent. Ihr erster Roman war in England das meistverkaufte Debüt 2019 und gewann den Betty Trask Award. Schon jetzt wird Stacey Halls als neue Stimme des authentischen historischen Romans gefeiert. »Die Verlorenen« ist ihr zweiter Roman.