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Unendlich mal unendlich mal mehr

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Thienemann-Esslingererschienen am13.09.2018Auflage
Bezaubernd, vielschichtig und in jeder Hinsicht außergewöhnlich ist dieser Debütroman für Kinder ab 10 Jahren. Petra liebt gerade Zahlen, denn die lassen sich teilen, ohne sie kaputt zu machen. Sie mag Fußball, ihren Kumpel Chris und ihre beste Freundin Melika. Was sie gar nicht mag, ist Wasser: dieses unkontrollierbare Etwas, das sich in alle möglichen Richtungen bewegt. Doch dann lernt sie Thomas kennen, den Propellerjungen aus dem Schwimmbad. Ihm zuliebe wagt sie sich sogar mit dem Kopf unter Wasser - und plötzlich ergibt alles einen Sinn.

Ingrid Ovedie Volden, 1981 geboren, hat Politikwissenschaften studiert und ist seit mehreren Jahren als Musikkritikerin tätig. Ihr Debütroman 'Alt som teller' ('Unendlich mal, unendlich mal mehr') wurde in ihrem Heimatland Norwegen sehr positiv aufgenommen und ist bereits nach Schweden, Dänemark, Färöern und Russland verkauft worden.
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Produkt

KlappentextBezaubernd, vielschichtig und in jeder Hinsicht außergewöhnlich ist dieser Debütroman für Kinder ab 10 Jahren. Petra liebt gerade Zahlen, denn die lassen sich teilen, ohne sie kaputt zu machen. Sie mag Fußball, ihren Kumpel Chris und ihre beste Freundin Melika. Was sie gar nicht mag, ist Wasser: dieses unkontrollierbare Etwas, das sich in alle möglichen Richtungen bewegt. Doch dann lernt sie Thomas kennen, den Propellerjungen aus dem Schwimmbad. Ihm zuliebe wagt sie sich sogar mit dem Kopf unter Wasser - und plötzlich ergibt alles einen Sinn.

Ingrid Ovedie Volden, 1981 geboren, hat Politikwissenschaften studiert und ist seit mehreren Jahren als Musikkritikerin tätig. Ihr Debütroman 'Alt som teller' ('Unendlich mal, unendlich mal mehr') wurde in ihrem Heimatland Norwegen sehr positiv aufgenommen und ist bereits nach Schweden, Dänemark, Färöern und Russland verkauft worden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783522610926
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum13.09.2018
AuflageAuflage
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5300 Kbytes
Artikel-Nr.3395056
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe

In Amerika haben sie die CIA, hier in Snekkerstad haben wir den PP-Dienst. Der passt auf, dass niemand stiehlt, stottert oder zu viel herumzappelt. Tor Martin aus der Achten zum Beispiel, mit dem wir unten am Teich Fußball spielen, der konnte keine fünf Minuten stillsitzen, und da haben sie ihn geholt. Seine Mutter hat sich tierisch darüber aufgeregt, denn Hummeln im Hintern sind in ihrer Familie anscheinend was ganz Normales.

Jetzt sitzt sie auf der Bank vor dem PP-Büro, das im Rathaus am Ende eines langen Ganges liegt. Ich sitze neben ihr und frage mich, ob in meiner Familie wohl Kotzen was ganz Normales ist. Ob Malin sich zum Beispiel auch schon mal mitten im Unterricht übergeben hat.

Eine Tür geht auf, und heraus kommt Tor Martin. Ich schaue zu Boden und verstecke mein Gesicht halb unter der Jacke.

»Ihre Diagnosen können Sie sich sonst wohin stecken!«, sagt seine Mutter zu dem Typen in der Tür. Der ist unglaublich groß. Er hat blondes, halblanges Haar und eine riesige Nase.

»Petra?«, sagt er und sieht mich mit fragenden Augen an.

Ich nicke und stehe auf. Wir gehen in sein Büro, das weiß und ziemlich groß ist. Überall liegen Bücher und Unterlagen herum. Ich setze mich auf einen Holzstuhl mit schwarzem Leder in der Mitte.

»Mein Name ist Steffen Svendsen«, sagt der Typ und blättert in ein paar Unterlagen. Ich starre auf das Bild an der Wand hinter ihm, es zeigt einen langen Strand vor einem schönen blauen Meer.

Er wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht.

»Hallo? Bist du da?«

»Na klar, ich bin hier«, sage ich. »Aber ich weiß nicht so ganz, warum.«

Er sieht mich an. Streckt den Arm zur Seite aus und greift nach einem Block auf dem Pult.

»Manchmal braucht man eben etwas Hilfe im Leben«, sagt er.

»Ach so?«, sage ich.

»Bei großen oder kleinen Dingen. Gibt es irgendwelche großen oder kleinen Dinge, über die du gern reden würdest?«

Klar gibt es die, aber doch nicht mit dem da. Irgend so einem Fremden von Snekkerstads CIA.

»Eigentlich nicht«, sage ich.

Er lehnt sich in seinem Bürosessel zurück. Es knarrt.

»Du wurdest heute zur Schulkrankenschwester geschickt, weil du dich im Unterricht übergeben hast. Kannst du mir ein bisschen darüber erzählen?«

Seine Stimme ist ruhig. Er spricht schwerfällig.

»Ach, da gibt´s nicht so viel zu erzählen. Nur was ich schon der Krankenschwester gesagt habe, ich musste an Pi denken, und da ist mir auf einmal ganz schwindelig geworden.«

»Pi?«

»Ja, Pi.«

»Die Zahl Pi?«

»Ja.«

»Was ist denn an der Zahl Pi so schlimm?«

»Das ist gar keine richtige Zahl. Sie ist unvollständig und unperfekt. Sie hat überhaupt kein Ende.«

Ich betrachte die Wellen. In mir drin habe ich auch ein Meer, das sich auf und ab bewegt, und gleich muss ich wieder kotzen.

»Hmm«, macht Steffen Svendsen. »Muss eine Zahl denn ein Ende haben, um perfekt zu sein?«

Das ist für mich gar keine Frage, also nicke ich.

Und in seinem Büro ist es so weiß. Das Licht sticht mir in die Augen.

»Erzähl doch mal«, sagt Steffen Svendsen, »kommt es vor, dass du bestimmte Dinge einfach tun musst? Dass du einen Gedanken hast und dann nichts anderes machen kannst, als was dieser Gedanke dir sagt?«

Ich sehe ihn an. Schließe die Augen und denke an das Gefühl, das mich manchmal überkommt, wenn ich etwas einfach machen muss, die Schuhe im Flur in eine Reihe stellen zum Beispiel. Das muss ich einfach. Oder Butterbrote, ich muss immer eine gerade Anzahl Butterbrote essen. Oder zwei oder vier oder sechs Tore schießen. Solange ich alles in geraden Zahlen mache, passt es. Dann herrscht Gleichgewicht.

»Ja«, sage ich. »Kann schon sein.«

»Darüber würde ich gern mehr hören«, sagt er. »Du musst wissen: Alles, was hier besprochen wird, bleibt auch hier. Ich habe nämlich Schweigepflicht.«

Ich betrachte seine Nase. Und seine Augen. Er hat freundliche Augen. »Ich stelle die Schuhe im Flur immer in eine Reihe«, sage ich. »Und keiner darf die anderen berühren.«

»Aha«, sagt Steffen Svendsen. »Und was passiert, wenn du das nicht machst?«

»Dann habe ich das Gefühl, dass irgendwas Blödes passieren wird.«

»Was denn?«, fragt er.

»Weiß nicht«, sage ich. »Was Schlechtes eben. Deshalb mache ich auch alles in geraden Zahlen. Gerade Zahlen sind besser als ungerade, die kann man nämlich nicht teilen, ohne sie kaputt zu machen. Und Primzahlen erst. Herrjemeni. Primzahlen kann man nur durch eins und sich selbst teilen.«

Steffen Svendsen sieht mich an und atmet langsam ein und wieder aus. Schreibt jede Menge Wörter auf.

»Wenn ich ganz fest an etwas denke und aufpasse, dass alles im Gleichgewicht ist, dann geht es gut«, sage ich. »Dann passieren gute Sachen.«

Er sieht besorgt aus, und da bekomme ich das Gefühl, ich müsste noch mehr erklären. Bestimmt habe ich schon zu viel erklärt.

»Wieso?«, frage ich. »Ist das etwa falsch?«

»Nein, nicht falsch«, sagt Steffen Svendsen und legt den Stift aus der Hand. »So etwas nennen wir Zwangsgedanken. Oder magisches Denken.«

Magisches Denken. Ich sehe einen Zauberkünstler vor mir, der Sachen herbeizaubert. Ein Zauberkünstler kann einfach an etwas denken, und dann passiert es.

»Magisches Denken?«, sage ich und kratze mich am Kopf.

»Ja«, sagt er. »Wenn wir Menschen unsicher werden, kommt es vor, dass wir uns an Rituale halten, von denen wir eigentlich nicht wissen, ob sie wirken. Zum Beispiel, wenn du jeden Tag die Schuhe im Flur in eine Reihe stellst.«

»Ohne dass sie sich berühren«, sage ich.

»Ohne dass sie sich berühren. Das ist ein Ritual. Und wenn du dieses Ritual befolgst oder bestimmte Dinge immer paarweise machst, dann hast du das Gefühl, das hat einen Einfluss darauf, was passiert.«

»Ja klar«, sage ich.

Er hebt die Augenbrauen und schreibt wieder irgendwas auf seinen Block. Dann sieht er mich an und lässt den Stift zwischen den Fingern kreisen.

»Macht dir außer ungeraden Zahlen sonst noch etwas Angst, Petra?«

Ich blicke auf meine Hände. Warum fragt er so viel?

»Wasser«, sage ich und schaue wieder auf. »Ich mag kein Wasser.«

Und ich betrachte die Wellen über seinem Kopf. Wasser bewegt sich in alle möglichen Richtungen. Es ist unkontrollierbar, und wenn man zum Beispiel den Kopf unter Wasser bekommt, ist es mir nichts, dir nichts passiert, dass man keine Luft mehr kriegt, und wenn man keine Luft mehr kriegt, bleibt das Herz stehen.

»Was ist denn das Problem mit Wasser?«, will Steffen Svendsen wissen.

»Ist das hier so eine Art Verhör?«, frage ich.

Er schaut von seinem Block auf und lächelt.

»Nennen wir es einfach ein Gespräch.«

»Aha«, sage ich.

»Was machen denn deine Eltern?«

»Die gibt´s nicht in der Mehrzahl.«

»O. k., dann in der Einzahl: Was macht deine Mutter oder dein Vater?«

»Zu viel.«

Steffen Svendsen sieht mich an und hebt die Augenbrauen.

»O. k., sie heißt Malin und verkauft im Barometer Kakao und Bier. Und wischt die Tische ab. Und unterhält sich mit den Leuten. Auf Schwedisch.«

»Deine Mutter ist Schwedin?«

»Ja.«

Ich schlucke und betrachte das Strandbild. Wahrscheinlich wollte sie genau zu so einem Ort.

Aber dann ist sie also in Snekkerstad gelandet, wo es keinen einzigen Strand gibt, nur einen kleinen Fluss, und wo alles so nah beieinanderliegt, dass man mit dem Fahrrad gerade mal eine halbe Minute durch den Ortskern braucht. Da sind das Rathaus und die Pizzeria und die Tankstelle und unser Kulturhaus, das Dreieck. Und dann noch der Friseur und die Einkaufspassage und der Kreisverkehr und das Barometer.

Malin steht im Barometer über einen Cafétisch gebeugt und reibt die Tischplatte mit einem Lappen ab. Ihr braunes, welliges Haar fällt ihr über die Schultern.

»Na sieh an: Petra!«, ruft Konrad, als ich zur Tür reinkomme. Wie immer sitzt er an seinem kleinen, runden Tisch mitten im Lokal, und da sitzt auch Chris mit seinem Mathebuch.

»Ich habe mir heute schon wieder einen Apfelsaft bestellt!«, sagt Konrad und lacht. Sein ganzer Körper bebt. Und der ist groß, vor allem in der Mitte, ich frage mich, wie er vorne in diesen Lkw passt, mit dem er immer durch die Gegend fährt. Also wenn er nicht gerade im Barometer sitzt und Bier trinkt.

»Schön für dich«, sage ich grinsend. Und Chris sieht zu mir auf, seine Augen wollen wissen, wo zum Henker ich so lange war. So sind sie nämlich, die Augen von Chris. Wegen der Stotterei haben sie ziemlich gut sprechen gelernt.

»Hallo, Schatz!«, sagt Malin, als sie mich erblickt. Sie riecht nach Shampoo und Parfüm. Das heißt, dass sie gerade erst duschen war, und das heißt, dass sie gerade erst zur Arbeit gekommen ist.

Chris steht auf, und wir gehen zu unserem Tisch hinter der Säule, und dann bekommen wir jeder einen Kakao. Malin setzt sich neben uns und stützt das Kinn in die Hand.

»War es schön heute in der Schule?«

»Ganz o. k.«, sage ich und...
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Autor

Ingrid Ovedie Volden, 1981 geboren, hat Politikwissenschaften studiert und ist seit mehreren Jahren als Musikkritikerin tätig. Ihr Debütroman "Alt som teller" ("Unendlich mal, unendlich mal mehr") wurde in ihrem Heimatland Norwegen sehr positiv aufgenommen und ist bereits nach Schweden, Dänemark, Färöern und Russland verkauft worden.