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Knochengrund

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.12.2022
Die dänische forensische Anthropologin Josefine Jespersen wird nach Gotland gerufen, um einige Steinzeit-Skelette zu untersuchen, die bei Grabungen gefunden wurden. Doch als Josefine einen weiblichen Schädel genauer betrachtet, macht sie eine schaurige Entdeckung: Die Frau ist erst vor einigen Jahren getötet worden - und in ihrem Schädel befindet sich der Knochen einer weiteren Person. Die Spur bringt Josefine und den Kriminalkommissar Alexander Damgaard auf einen alten Vermisstenfall. Und als zwei weitere Frauen ermordet werden, ist klar: Josefine und Damgaard jagen einen perfiden Serienmörder ...

Lotte Petri lebt in der kleinen Küstenstadt Hornbæk nördlich von Kopenhagen, wo sie sich ganz dem Schreiben widmet. Nach »Teufelswerk« ist »Knochengrund« ihr zweiter Thriller um die forensische Anthropologin Josefine Jespersen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie dänische forensische Anthropologin Josefine Jespersen wird nach Gotland gerufen, um einige Steinzeit-Skelette zu untersuchen, die bei Grabungen gefunden wurden. Doch als Josefine einen weiblichen Schädel genauer betrachtet, macht sie eine schaurige Entdeckung: Die Frau ist erst vor einigen Jahren getötet worden - und in ihrem Schädel befindet sich der Knochen einer weiteren Person. Die Spur bringt Josefine und den Kriminalkommissar Alexander Damgaard auf einen alten Vermisstenfall. Und als zwei weitere Frauen ermordet werden, ist klar: Josefine und Damgaard jagen einen perfiden Serienmörder ...

Lotte Petri lebt in der kleinen Küstenstadt Hornbæk nördlich von Kopenhagen, wo sie sich ganz dem Schreiben widmet. Nach »Teufelswerk« ist »Knochengrund« ihr zweiter Thriller um die forensische Anthropologin Josefine Jespersen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641244101
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum21.12.2022
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9098738
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 2

2019
Oskarshamn, Schweden

Der Regen prasselte auf die Windschutzscheibe des betagten Volvo Kombi, in dem Josefine Jespersen in der Warteschlange für die Gotlandfähre stand, die kurz darauf wie ein riesiger Eisberg in den Hafen glitt. Die dicken Wassertropfen verzerrten die Aussicht, ehe sie von den an Taktstöcke erinnernden Scheibenwischern entfernt wurden. Irgendwo aus dem dunstigen Nichts tönte das tiefe Signal eines Nebelhorns.

Sie war schon bei schlechtem Wetter aus Kopenhagen losgefahren, aber in der hier herrschenden Nebelsuppe war die Sicht minimal. Himmel und Meer verschwammen ineinander. Sie kurbelte das Seitenfenster herunter und spürte die verdichtete Feuchtigkeit des Nebels, in die sich der Geruch nach Meer und ein Hauch Diesel mischte. Von weit oben über der Wolkendecke erklang heiseres Möwengeschrei, und der Abgasgestank klebte sich an die Schleimhäute.

Es kribbelte im Bauch bei der Aussicht, endlich einmal wieder ihr altes Institut auf der schwedischen Insel Gotland wiederzusehen, wo sie ihre Ausbildung zur Rechtsanthropologin begonnen hatte - oder zur Knochenexpertin, wie ihre Freunde es lieber nannten, um die korrekte, zungenbrechende Berufsbezeichnung zu umgehen. Josefine war sich schon im Klaren darüber, dass alle ihren Beruf ziemlich abgedreht fanden, und sie hatte sich im Lauf der Zeit an die Reaktionen der Leute gewöhnt, wenn sie wegen eines Knochenfundes ganz aus dem Häuschen war. Natürlich hatte sie sich auch schon häufig gefragt, ob ihre Entscheidung für ausgerechnet diesen Fachbereich einer Art seelischer Störung entsprang, aber glücklicherweise hatte sie Kollegen, die ihre glühende Begeisterung teilten. Trotzdem vermied sie es in Alltagsgesprächen, präziser auf ihre Arbeit einzugehen. Längst nicht alle Menschen verkrafteten ihre Geschichten von bizarren Morden, Skeletten und Bruchflächen an Knochen. Und sie hatte im Laufe ihrer Karriere gelernt, dass der Tod nach wie vor ein so großes Tabuthema war, dass die Wenigsten darüber reden wollten, und schon gar nicht bei einem gemütlichen Abendessen, während der Gastgeber den Braten aufschnitt. Das war ein absolutes No-Go.

Sie war von den schwedischen Kollegen eingeladen worden, um ihnen bei der Untersuchung von Skeletten zur Seite zu stehen, die an Visbys Galgenberg ausgegraben worden waren. Der Vergleich der schwedischen Funde mit dänischen Knochen aus der gleichen Periode fügte sich wunderbar in ihre Studien über die Volksgesundheit der Dänen im 19. Jahrhundert, für die sie in den letzten Jahren altes Knochenmaterial von Friedhöfen und anderen Ausgrabungen untersucht hatte. Sie war gespannt zu sehen, ob es im Laufe der Zeit geografische Unterschiede der Krankheiten gab. Das Projekt war vom Institut für Archäologie und Alte Geschichte auf Gotland initiiert. Dem Namen zum Trotz befasste sich das Institut mit ganz ähnlichen Aufgaben wie die Rechtsmedizin in Kopenhagen, wo Josefine die Gerichtsmediziner und die Polizei dabei unterstützte, bis zur Unkenntlichkeit versehrte Leichen und Skelette zu identifizieren. Eins ihrer Spezialgebiete war, herauszufinden, welche Mordwaffe angewendet worden war. Einmal hatte sie bei einem Mann, der mit eingeschlagenem Schädel bei sich zu Hause gefunden worden war, den Schädelknochen so wieder zusammengepuzzelt, dass man deutlich den Abdruck eines großen Schraubenschlüssels am Hinterkopf des Toten erkennen konnte. Das war Josefines Steckenpferd; in Knochen zu lesen, indem sie die Bruchkanten und Schlagspuren am Skelett studierte.

Sie fuhr erschrocken zusammen, als sie hektisches Hupen hinter sich hörte. Im Rückspiegel sah sie den Fahrer hinter sich wild gestikulieren. Sie hatte offenbar einen kurzen Aussetzer gehabt. Es kam Bewegung in die Schlange, und sie startete den Motor, der asthmatisch hustend ansprang.

*

In der gefühlt kilometerlangen Warteschlange im Fährcafé betrachtete Josefine die Menschenmassen. Vor ihr stand ein Typ mit kräftigen Nackenmuskeln. Stiernacken, dachte sie und verdrehte die Augen.

In dem Moment drehte er sich um und sah sie mit einem schiefen Lächeln an. Wenn er wüsste, dass sie ihn gerade nicht sehr freundlich bedacht hatte. Josefine erwiderte sein Lächeln.

»Hi, öfter hier?«, fragte er beiläufig.

Josefine musste innerlich über das Klischee einer Anmache grinsen, das offensichtlich universell einsetzbar war.

»Nein â¦ eigentlich nicht. Ich bin wegen eines Arbeitsprojekts in Visby â¦«

»Aha? Dann laufen wir uns ja vielleicht da irgendwo mal über den Weg â¦«

In dem Augenblick schlingerte die Fähre heftig, und sie verloren sich aus den Augen.

Ein Kistenstapel krachte mit ohrenbetäubendem Lärm zu Boden.

Nach diesem kurzen Flirt richtete Josefine ihre Aufmerksamkeit auf das Angebot üppig belegter Sandwiches in der Glasvitrine. Sie hatte morgens nur eine kleine Portion Müsli gegessen. Jetzt knurrte ihr Magen, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Die Wahl fiel auf ein Krabbensandwich und dazu Mineralwasser. Sie fand einen Platz, von dem aus sie beim Essen die Mitreisenden beobachten konnte, die regelmäßig die Überfahrt zu machen schienen. Die einen spielten Karten, andere unterhielten sich lebhaft oder hatten sich für ein Nickerchen auf den gepolsterten Bänken ausgestreckt, nachdem sie brav die Schuhe ausgezogen und ordentlich unter die Bank geschoben hatten.

Etwa auf halber Strecke wurde das Schlingern der Fähre spürbarer, aber Josefine gewöhnte sich schnell an die Rollbewegungen. Nach dem Krabbensandwich wurden ihre Lider schwer. Sie lehnte sich gegen die gepolsterte Rückenlehne und schloss die Augen.

*

Ein paar Stunden später liefen sie in den Hafen von Visby ein. Auf dem Autodeck entfernte ein Mann in neonfarbener Warnweste demonstrativ ein paar an lange knallblaue Schnüre geknotete Keile, mit denen er offensichtlich Josefines Auto arretiert hatte. In einer Mischung aus Englisch und Schonisch machte er ihr klar, dass sie dringend ihre Handbremse reparieren lassen müsste, weil das Auto sich bei dem heftigen Seegang wohl bewegt hatte.

Ein schwedischer Familienvater untersuchte besorgt die Stoßstange seines Autos, das jetzt auf Tuchfühlung mit Josefines Wagen stand. Er sah sie vorwurfsvoll an, als hätte sie mit voller Absicht sein schönes Fahrzeug touchiert.

Sie fühlte sich wie eine Kleinkriminelle, als sie mit quietschenden Bremsen die viel zu schmale Rampe hinunterfuhr, und überlegte ernsthaft, den Koloss gegen einen zeitgemäßeren Kleinwagen einzutauschen. Aber sie hatte den Volvo von ihrem mittlerweile fürs Fahren zu dementen Vater übernommen und konnte sich nicht überwinden, ihn zu verkaufen. Ihr Vater lebte seit Kurzem in einem Pflegeheim, nachdem es ein paar unschöne Zwischenfälle gegeben hatte, als er sein Haus verlassen und sich verlaufen hatte. Die Betreuerin hatte irgendwann gesagt, dass es so nicht weiterginge, und Josefine musste ihr recht geben. Ihrem Vater ging es zu schlecht, um noch alleine in seinem Haus zu wohnen. Nach dem Umzug ins Pflegeheim hatte sie das Haus zum Verkauf angeboten, aber bedauerlicherweise hatten sich bislang noch keine Kaufinteressenten gefunden. Doch Josefine war in jedem Fall erleichtert, dass sie sich nicht mehr um seine Sicherheit sorgen und in der permanenten Angst leben musste, dass er eines Tages vergaß, den Herd auszuschalten, oder die Kellertreppe hinabstürzte. Zugleich hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil er sich ganz offensichtlich im Pflegeheim nicht wohlfühlte. Sein unglücklicher Gesichtsausdruck und die tiefe Trauer in seinem Blick ließen sie natürlich nicht kalt. Sie war sich im Klaren darüber, dass es keine optimale Lösung für dieses Problem gab, aber es fiel ihr jedes Mal schwer, sich von ihm zu verabschieden, wenn sie ihn besuchte.

Josefine schob die negativen Gedanken beiseite und betrachtete im Vorbeifahren die Häuser, die sich zwischen den grauen Felsen vor dem ewigen Wind zu ducken schienen, der permanent über die Insel jagte. Alles bewegte sich in einer Grautonskala, vom sich im Meer spiegelnden Himmel bis hin zu den schieferfarbenen Gebäuden, die sich in das unwegsame Terrain der Insel fügten.

Vor dem Institut hielt Josefine Ausschau nach einem freien Parkplatz. Als sie ein Stück entfernt fündig geworden war, kämpfte sie sich durch den Wind zurück. Ihre Augen tränten, und die Wangen glühten, als sie endlich den Haupteingang erreichte.

An der Rezeption wurden ihr eine provisorische Mitarbeiterkarte ausgehändigt und alle praktischen Fragen geklärt. Danach fuhr sie in die Mitwohnzentrale im Zentrum von Visby, wo sie die Schlüssel für ein kleines Häuschen abholte, das sie gebucht hatte. Sie überlegte kurz, auf dem Weg dorthin noch etwas einzukaufen, war aber zu müde und verschob es auf den nächsten Tag.

*

Am nächsten Morgen waren die Farben nach Gotland zurückgekehrt. Es stürmte noch immer, aber der nahezu wolkenlose Himmel hatte einen tiefblauen Ton angenommen. Josefine stand vor dem Institut und genoss das schöne Wetter mit zugekniffenen Augen. Als sie schließlich eintrat, war es ganz still in den langen, vertrauten Korridoren.

Sie öffnete die Tür zu einem großen Raum und wurde in ihre Studienzeit zurückkatapultiert, in der sie unzählige Stunden mit ihren Kommilitonen an den langen Arbeitstischen verbracht und Knochen sortiert hatte. Die Plastikboxen mit den vergilbten Prägeetiketten, auf denen »Schwein« und »Schaf« stand, konnten ohne weiteres noch dieselben Kästen sein wie zu ihrer Zeit, dachte sie grinsend. Das Sortieren der Knochen war eine triviale, aber gute Übung für die Unterscheidung von Menschen- und Tierknochen gewesen. Dieses...

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Lotte Petri lebt in der kleinen Küstenstadt Hornbæk nördlich von Kopenhagen, wo sie sich ganz dem Schreiben widmet. Nach »Teufelswerk« ist »Knochengrund« ihr zweiter Thriller um die forensische Anthropologin Josefine Jespersen.