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Der Glanz der Novemberrosen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am18.10.2021
Hannover Mitte des 19. Jahrhunderts: Als Töchter des Lokomotivfabrikanten Georg Brinkhoff wachsen Sophie und ihre Schwestern in Reichtum auf. Aber anders als ihre Familie sieht Sophie die Nöte der Arbeiter. Als sie sich für soziale Gerechtigkeit engagiert, lernt sie den verheirateten Fabrikschmied Karl kennen. Es ist für beide Liebe auf den ersten Blick. Doch hin- und hergerissen zwischen ihrer verbotenen Beziehung und dem Pflichtgefühl gegenüber ihrer Familie heiratet sie schließlich den Ingenieur Ernst Drave, für den sie nichts empfindet. Ihre Liebe zu Karl ist jedoch stärker denn je. Und so beginnen beide ein gefährliches Doppelleben ...

Martha Sophie Marcus, geboren 1972 im Landkreis Schaumburg, studierte Germanistik, Soziologie und Pädagogik und verbrachte anschließend zwei Jahre in Cambridge. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Lüneburg. Mit »Herrin wider Willen«, ihrem ersten Roman, feierte sie ein grandioses Debüt, dem weitere erfolgreiche Romane folgten.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextHannover Mitte des 19. Jahrhunderts: Als Töchter des Lokomotivfabrikanten Georg Brinkhoff wachsen Sophie und ihre Schwestern in Reichtum auf. Aber anders als ihre Familie sieht Sophie die Nöte der Arbeiter. Als sie sich für soziale Gerechtigkeit engagiert, lernt sie den verheirateten Fabrikschmied Karl kennen. Es ist für beide Liebe auf den ersten Blick. Doch hin- und hergerissen zwischen ihrer verbotenen Beziehung und dem Pflichtgefühl gegenüber ihrer Familie heiratet sie schließlich den Ingenieur Ernst Drave, für den sie nichts empfindet. Ihre Liebe zu Karl ist jedoch stärker denn je. Und so beginnen beide ein gefährliches Doppelleben ...

Martha Sophie Marcus, geboren 1972 im Landkreis Schaumburg, studierte Germanistik, Soziologie und Pädagogik und verbrachte anschließend zwei Jahre in Cambridge. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Lüneburg. Mit »Herrin wider Willen«, ihrem ersten Roman, feierte sie ein grandioses Debüt, dem weitere erfolgreiche Romane folgten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641251413
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.10.2021
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5691610
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1. Kapitel

Hannover, 18. November 1847

Sophie hielt die Lokomotive für das Sinnbild des Fortschritts und ihren Vater für das menschliche Gegenstück zur Lokomotive. Im Vorjahr war in der Brinkhoff -schen Maschinenfabrik nach jahrelanger Vorbereitung der erste Prototyp einer eigenen Lok fertig geworden, und das Modell hatte der Königlich-Hannöverschen Staatseisenbahn so gut gefallen, dass sie sich endlich entschlossen hatte, den kommenden Bedarf an Zugmaschinen vor der eigenen Haustür in Linden zu decken statt bei Borsig in Berlin.

Sophie platzte schier vor Stolz auf ihren Vater. Er hatte den Erfolg der neuen Technik schon lange prophezeit und recht behalten. Dieses Jahr hatten sie bereits sieben Lokomotiven ausliefern können, und eine davon stieß soeben unter durchdringendem Geheul eine Dampfsäule aus, während sie auf ihren Einsatz bei der feierlichen Einweihung des neuen Bahnhofsgebäudes wartete. Zu Ehren des Königs trug sie seinen Namen »Ernst August«.

Von den Mündern der Zuschauer stieg ebenfalls weißer Dampf auf. Sophies jüngste Schwestern Luise und Johanna bliesen hinter dem Rücken der Eltern und der Großmutter ihren Atemhauch in die Luft und ruderten mit den Armen, als wären es Pleuelstangen. Sophie tat, als würde sie es nicht sehen, weil sie an diesem Tag keine Lust hatte, die strenge große Schwester herauszukehren.

Georg Brinkhoff, die menschliche Lokomotive, schlug den beiden jüngeren Herren, die rechts und links von ihm standen, beidhändig auf die Schultern. »Das ist erst der Anfang. Das ist alles erst der Anfang! Sie werden sehen, meine Herren. Und wir sind endlich vorne dabei!«

Alfred Lonard, der kürzlich eingestellte Maschinenbauingenieur, war nur ein paar Jahre älter als Sophie und wirkte, als würden ihn die vielen Menschen, die sich zu der Einweihungsfeier versammelt hatten, einschüchtern. Außerdem war ihm sein Zylinder zu eng, weshalb er immer wieder verstohlen eine Hand hob, um ihn zurechtzurücken. Sophie wartete die ganze Zeit darauf, dass ihm der hohe Hut vom Kopf geweht wurde.

Er räusperte sich und straffte die Schultern. »Wenn es nach mir geht, Herr Brinkhoff, dann sind wir nicht nur vorn dabei, sondern führen in einigen Jahren die Branche an.«

Sophies Vater lachte. »Kapitale Haltung, junger Freund! Solchen Ehrgeiz will ich bei meinen Leuten sehen. Mein lieber Herr Drave, nun kommt es nur noch darauf an, dass Sie beim Streckenbau der Staatseisenbahn den gleichen Schwung verbreiten. Das Land wird es uns eines Tages danken.«

Der angesprochene ältere der beiden anwesenden Brüder Drave, der früher kurzzeitig als Maschinensachverständiger für die Brinkhoff-Werke gearbeitet hatte, seit einigen Jahren aber zur Hannöverschen Eisenbahnkommission gehörte, holte eine kleine Blechdose mit Pfefferminzpastillen aus seiner Manteltasche und hielt sie anbietend in die Runde.

»Davon überzeugen wir Seine Majestät in diesem Leben nicht mehr. Jede Genehmigung, die wir einholen müssen, löst bei ihm Knurren aus. Wenn die Preußen nicht solchen Druck ausüben würden, dann würde Ernst August keinen einzigen Schritt Schiene mehr verlegen lassen. Dass er heute nicht anwesend ist, sagt ja schon alles.«

Georg Brinkhoff winkte ab, was sowohl den Pastillen galt als auch dem königlichen Widerwillen. »Wem sagen Sie das? Ich habe noch im Ohr, was er zur Frage der Eisenbahn zu sagen hatte: Ich will nicht, dass jeder Schuster und Schneider so rasch reisen kann wie ich. Wenn es also nach ihm ginge, dürfte es Fortschritt nur für Könige und Fürsten geben. Umso wichtiger ist es, dass wir, die wir es besser wissen, fest zusammenstehen und ihn voranbringen. Und das tun wir! Wenn wir nächsten Monat die Strecke nach Bremen eröffnen, bedeutet das einen enormen Gewinn für unsere Industrie. Ich lade Sie jetzt schon ein, das mit mir zu feiern. Aber meine Herren, heute habe ich meiner Frau zur Feier unserer diesjährigen Porzellanhochzeit eine Fahrt mit dem Einweihungszug versprochen, und ich glaube, dass wir uns allmählich zum Bahnsteig begeben sollten. Meine Töchter bleiben in der Obhut ihrer Großmutter hier, bis wir zurückkehren. Wenn Sie den Damen Gesellschaft leisten und sie ein wenig beschirmen möchten - ich wäre Ihnen dankbar.«

Sophie nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie ihre ältere Schwester Dorette bei diesen Worten hastig an sich herabsah, ihren umgeklappten Rocksaum mit dem Fuß zurechtstieß und das Schnürband ihres Huts weitete, damit es ihr bloß kein Doppelkinn machte. Unwillkürlich ahmte Sophie sie nach, doch beim Blick nach unten bemerkte sie vor allem, wie übertrieben lang die Pantalons von Ernst Drave waren. Alle Herren trugen die Hosen lang und strafften sie mit einem Band, das unter dem Schuh entlangführte. Doch seine waren so lang, dass er auf einem Stück des Saums herumtrat, das sich dabei mit Schmutz vollsog. Er hätte bei diesem feuchten Novemberwetter lieber Überschuhe tragen sollen, wenn es schon die lange Hose sein musste. So liederlich hätte ihre Mutter ihren Vater niemals aus dem Haus gehen lassen. Dem Mann fehlte offensichtlich eine Ehefrau.

»Ich denke, ich spreche für uns alle drei, wenn ich sage, dass es uns ein Vergnügen sein wird«, sagte er, und sein Atem duftete bis zu Sophies Nase nach Pfefferminz.

Sophies Mutter drehte sich zu ihr und Dorette um und schob die elfjährige Minna in ihre Richtung, die bisher vor ihr gestanden hatte. »Ihr habt es gehört, Mädchen. Seid brav und fallt den Herren und Großmama nicht lästig. Vater und ich sind bald zurück, der Zug fährt nicht weit. Gebt acht, dass die Kleinen nicht zu nah an die Pferde gehen. Man weiß nie, was die tun, wenn die Lok losrattert. Und bleibt vom Gleis weg. Da ist es gefährlich, und der Ruß verdirbt euch die Kleider.«

Großmama Grete schüttelte missmutig das Haupt. »Das ist wider die Natur des Menschen, so schnell zu fahren. Und dat Gedrüüs! Davon wird man ja doof. Gut, dass Großvater Johann das nicht mehr mit ansehen muss. Mich kriegen keine zehn Pferde in so einen Eisenbahnwagen!«

Sophies Vater lächelte ihr zu, während er seiner Frau den Arm reichte. »Es will dich ja gar keiner zwingen, Muttern. Wenn du nur auf die Kinder achtgibst. Nun komm, mein Dörchen, dass wir nicht die Begrüßungsrede verpassen.«

Mutter Dörchen hakte ihren Georg unter, und die beiden spazierten durch die Menschenmenge zum Haupteingang des neuen Bahnhofs, vorüber an einer mit Fässern vollbeladenen, sechsspännig gefahrenen Bierkutsche, die gerade entladen wurde, damit die Festlichkeit auf keinen Fall zu trocken verlief. Ja, besser war es, sich nicht zu nah bei den Pferden aufzuhalten. Sogar den nervenstarken, schweren Kaltblütern war das zischende Maschinenungetüm sichtlich schon im Stillstand und aus der Entfernung unheimlich.

Ernst Drave wandte sich seinem jüngeren Bruder zu. »Sag, Fritz, hast du nicht Lust, uns allen einen Punsch von der Bude da drüben zu holen? Die Damen möchten sich vielleicht damit aufwärmen? Es ist ja doch recht frisch, wenn man hier so lange auf dem Fleck steht. Was meinen Sie, Fräulein Dorette? Und gnädige Frau Brinkhoff?«

Es versetzte Sophie einen kleinen Stich, dass er sie übersah. Als ob Dorette mit ihren zwanzig Jahren bedeutend erwachsener gewesen wäre als sie mit ihren siebzehn!

Dorette trat vor, sodass sie nun deutlich näher bei den Herren stand als bei ihren Schwestern. »Ein warmes Getränk wäre eine Freude. Das ist ein wunderbarer Einfall.«

Die vier berieten darüber, was genau geholt werden sollte, und Sophie machte eine rasche Bestandsaufnahme der jüngeren Brinkhoffs. Die Kleinen, Luise und Johanna, spielten mit ihrer Freundin Emilie, die sie heute hatte begleiten dürfen, unter Großmama Gretes wachsamen Augen ein Hüpfspiel auf einem flink in den ungepflasterten Boden gekratzten Hinkekästchen. Dabei brach zwischen Johanna und Emilie schon der erste Streit ums Anfangendürfen aus.

Minna, die vierte im Schwesternquintett, starrte mit weit aufgerissenen Augen den Eltern nach. Bei ihr saß das Band ihrer niedlichen, kleinen Capote unter dem Kinn noch so stramm, wie ihre Mutter es beim Aufbruch gebunden hatte. Und weil sie äußerst folgsam war, würde es auch so bleiben. Sie tat Sophie ein bisschen leid, weil sie mit ihren elf Jahren noch hoffnungsloser zwischen den Stühlen saß als sie selbst. Für Hüpfspiele in der Öffentlichkeit war sie zu alt, für Gespräche mit den Herren viel zu jung.

Doch das war kein ausreichender Grund, um ein so elendes Gesicht zu ziehen. Weil die am Bahnhofsportal aufgestellte Blaskapelle nun voller Enthusiasmus einen Marsch blies und Sophie nicht gegen die Geräuschkulisse anschreien wollte, beugte sie sich zu ihrer halbwüchsigen Schwester herab.

»Du ziehst eine Grimasse, als müsstest du sauren Hering essen. Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?«

Minna sah sie mit Tränen in den Augen an. »Ich bin so dumm, Sophie. Ich hätte zuhause noch mal gehen sollen. Mutter hat es mir geraten. Aber â¦«

Sophie seufzte tief. »Ist es schrecklich dringend?«

Heftig nickend faltete Minna die Hände wie zum flehenden Gebet. »Ich kann es bald nicht mehr halten.«

Großmama Grete verhandelte mit den Hüpfmeisen die Regeln für ihr Spiel und überwachte gleichzeitig mit strengen Seitenblicken, dass Dorette und die jungen Herren den korrekten Abstand zueinander einhielten. Sie war also eindeutig unentbehrlich. Und Dorette würde böse werden, wenn Sophie sie von den charmanten Herren fortriss, um sie mit ihrer kleinen Schwester auf die Suche nach einem stillen Örtchen zu schicken. Also nickte sie Minna zu und ging zu ihrer Großmutter, um...

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Martha Sophie Marcus, geboren 1972 im Landkreis Schaumburg, studierte Germanistik, Soziologie und Pädagogik und verbrachte anschließend zwei Jahre in Cambridge. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Lüneburg. Mit »Herrin wider Willen«, ihrem ersten Roman, feierte sie ein grandioses Debüt, dem weitere erfolgreiche Romane folgten.