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Es gilt das gesprochene Wort

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am18.10.20211. Auflage
Ist Schweigen wirklich Silber und Reden Gold?  Franz-Josef Klenke arbeitet als Redenschreiber für den Außenminister Hans Behring und begleitet ihn regelmäßig auf seinen Auslandsreisen. Er tut alles, um den integren Mann gut dastehen zu lassen, wozu auch gehört, dass man in Reden zwar nicht unbedingt?die Unwahrheit sagt, aber manche Wahrheit auch nicht ausspricht. Doch ausgerechnet Klenke, ein Mann des Worts, liebt Maria, die nicht sprechen kann. Und das sorgt immer wieder für Probleme.  Als die Delegation zu einer Reise nach Marokko aufbricht, um dort über ein Rücknahmeabkommen für illegale Flüchtlinge zu verhandeln, erwartet sie dort der Diplomat Cornelius von Schröder. Er hat seine eigenen Ansichten zum Thema Migration - und eine Agenda, von der niemand etwas ahnt.     »Ein Redenschreiber liebt eine Frau, die nicht sprechen kann. Das Romandebüt von Sönke Wortmann ist wie seine Filme: Komisch und tragisch, berührend und klug.« Jan Weiler

Sönke Wortmann, geboren 1959, studierte Regie an der Hochschule für Fernsehen und Film in München sowie am Royal College of Art in London. Mit Filmen wie Der bewegte Mann, Das Wunder von Bern, Die Päpstin und Der Vorname begeisterte er Millionen von Zuschauern. Nun legt er sein Romandebüt vor.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextIst Schweigen wirklich Silber und Reden Gold?  Franz-Josef Klenke arbeitet als Redenschreiber für den Außenminister Hans Behring und begleitet ihn regelmäßig auf seinen Auslandsreisen. Er tut alles, um den integren Mann gut dastehen zu lassen, wozu auch gehört, dass man in Reden zwar nicht unbedingt?die Unwahrheit sagt, aber manche Wahrheit auch nicht ausspricht. Doch ausgerechnet Klenke, ein Mann des Worts, liebt Maria, die nicht sprechen kann. Und das sorgt immer wieder für Probleme.  Als die Delegation zu einer Reise nach Marokko aufbricht, um dort über ein Rücknahmeabkommen für illegale Flüchtlinge zu verhandeln, erwartet sie dort der Diplomat Cornelius von Schröder. Er hat seine eigenen Ansichten zum Thema Migration - und eine Agenda, von der niemand etwas ahnt.     »Ein Redenschreiber liebt eine Frau, die nicht sprechen kann. Das Romandebüt von Sönke Wortmann ist wie seine Filme: Komisch und tragisch, berührend und klug.« Jan Weiler

Sönke Wortmann, geboren 1959, studierte Regie an der Hochschule für Fernsehen und Film in München sowie am Royal College of Art in London. Mit Filmen wie Der bewegte Mann, Das Wunder von Bern, Die Päpstin und Der Vorname begeisterte er Millionen von Zuschauern. Nun legt er sein Romandebüt vor.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843726412
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.10.2021
Auflage1. Auflage
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.7062711
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Mitten in der Nacht, mitten in der Wüste wachte Schröder auf. Er hatte einen Traum gehabt, der sehr real war. Und sehr romantisch. Er hatte sich unsterblich in ein Kamel verliebt und das Kamel sich auch in ihn. Es lag vor ihm, den großen Kopf auf dem Sand, und blickte ihn aus tief türkisfarbenen Augen an. Die schönsten Augen, die er je gesehen hatte! Schröder umarmte das Tier, fühlte sich geborgen und geliebt und war fassungslos vor Glück. Dann holte ihn das Bellen eines Hundes zurück in die Realität.

Langsam kam er zu sich und krabbelte umständlich aus seinem kleinen Zelt, das nur Platz für eine Matratze und ihn selbst hatte.

»Alles klar, Schröder?«, fragte Simon aus dem Nachbarzelt, der offenbar nicht schlafen konnte. Ein Zelt weiter schnarchte Heinrich leise vor sich hin.

»Alles gut«, erwiderte Schröder, ging ein paar Schritte durch den Sand, der ein wenig vom Sternenhimmel erhellt war, sodass er die Umrisse des kleinen Camps wahrnehmen konnte. Dann schaute er nach oben. Der Nachthimmel war in der Tat beeindruckend, zugegeben. Aber sonst?

Zu dritt waren sie am Morgen in Rabat aufgebrochen, als es dort noch dunkel war. Simon, der dort in der deutschen Botschaft im Politikreferat für den Bereich Flucht und Migration zuständig war, Heinrich aus der Visaabteilung und er, Schröder. Sie hatten sich zwei Tage Urlaub genommen, um endlich mal über ein verlängertes Wochenende eine Safari durch die Wüste zu machen, weswegen seine Frau Marysol heftig mit ihm in Streit geraten war. »Nie« würde er sich um die Kinder kümmern. Zwei Kollegen aus Südkorea, die sie vor Ort treffen wollten, waren ebenfalls dabei. »Into the Silence« nannten sie die Unternehmung, man wollte ein paar Tage schweigend miteinander verbringen und dann und wann, unter Anleitung der Koreaner, meditieren. Simon hatte darauf bestanden, zu dritt mit seinem Auto anzureisen, hatte aber offenbar die Dimensionen des Landes unterschätzt. Allein bis Marrakesch brauchten sie dreieinhalb Stunden, nach einem kurzen Snack ging es weiter über den Atlas, für Schröder eine Tortur. Immer höher schlängelten sich die Serpentinen, er traute sich kaum nach links oder rechts aus dem Fenster zu gucken. Wie viele Touristen hier wohl schon abgestürzt und tödlich verunglückt waren? Es ging auch nur sehr langsam vorwärts, meistens hatten sie einen Lastwagen oder einen Viehtransporter vor sich, der sich auf über 3000 Meter hinaufquälte. Ein Überholmanöver wäre lebensgefährlich gewesen. Das änderte sich auch auf der anderen Seite nicht, als es wieder abwärts ging. Hier schlief Schröder vor Erschöpfung kurz ein, um dann aber umso heftiger aufzuwachen, als das Auto, ein 20 Jahre alter Mercedes, nach einem Knall ruckartig zum Stehen kam. Simon hatte ein Schaf erwischt und stieg aus. Von innen sah Schröder, wie der Schafhirte, der mit einer ganzen Herde die Straße überqueren wollte, laut auf Simon einschimpfte. Das Schaf lag am Boden und lebte noch, konnte aber nicht aufstehen. Zum Glück sprach Simon, im Gegensatz zu Schröder, fließend Französisch, und auch Heinrich brachte sich ein. So wurde man offenbar handelseinig. Simon zählte dem Schäfer ein paar Scheine in die Hand, woraufhin dieser zum Messer griff, dem Tier die Kehle durchschnitt und es mitnahm. Schröder stieg nun ebenfalls aus und übergab sich am Straßenrand.

Fünf weitere Stunden dauerte die Fahrt, die Schröder endlos vorkam, vorbei an Ouarzazate und durch Zagora. Links und rechts nichts als Schotter, im Hintergrund Berge, ab und zu mal ein verarmtes Dorf im Staub. Als sie schließlich Mhamid erreichten, kurz vor der Grenze zu Algerien, und dort das Basecamp des Veranstalters, war alles startbereit. Die Koreaner zickten ein bisschen rum, weil sie so lange hatten warten müssen, die Kamele waren schon gesattelt und beladen, und ihre Treiber mahnten zur Eile, weil 60 Kilometer vor ihnen lagen, die in drei Tagen geschafft werden wollten. Und das erst mal zu Fuß, weil die Tiere hier, in der Nähe des Dorfes, noch schreckhaft sein könnten, wie zumindest Simon es verstanden hatte. So machten sie sich auf den Weg, drei Deutsche, zwei Koreaner, vier Treiber und neun Kamele, die nicht nur die Touristen, sondern auch Zelte und Verpflegung zu tragen hatten.

Bereits nach den ersten Kilometern fing Schröder an, diesen Ausflug zu bereuen. Noch immer liefen sie neben den Tieren her, und an seinen Füßen bildeten sich erste Blasen von den Trekkingschuhen, die er sich extra gekauft, aber noch nicht eingelaufen hatte. Außerdem konnte von Stille keine Rede sein, quatschten doch die Berber in einer Tour, während sie die Kamele an ihren Zügeln nach Westen führten. Tapfer versuchten die anderen, sich per Gesten und Handzeichen zu verständigen, aber angesichts der arabischen Wortschwalle um sie herum wirkte ihr Schweigegelübde zunehmend absurd. Dennoch wollte keiner die Berber um Ruhe bitten, das hätten sie wohl nicht verstanden, und außerdem war es ja deren Land. Der älteste von ihnen erzählte offenbar einen Witz nach dem nächsten, und die übrigen lachten sich scheckig. Je mehr ihre Stimmung stieg, desto schlechter wurde Schröders Laune.

Er war jetzt 42 Jahre alt und mit seiner beruflichen Situation mehr als unzufrieden. Von einer Midlife-Crisis zu sprechen, war vielleicht übertrieben, aber was im letzten Jahr passiert war, musste man schon einen handfesten Karriereknick nennen, und der kam für ihn überraschend und tat weh.

Schröder war ein sogenanntes »Amtskind«. Seit er denken konnte, hatte er - wie schon sein Vater und sein Großvater - eine Laufbahn im höheren diplomatischen Dienst angestrebt. Das wurde auch von ihm erwartet, aber anders als manchen Kindern von Ärzten oder Anwälten, die von ihren Eltern, teils mit finanziellem Druck, in den gleichen Beruf gezwungen wurden, machte ihm dieser Druck nicht das Geringste aus, denn er wollte es ja selbst nicht anders. Sein Großvater (er war jetzt bald hundert und lebte immer noch) war, wenn auch in unglücklicher Zeit, unter anderem Botschafter in Moskau und Paris gewesen und durfte nach dem Krieg in Südafrika weitermachen, und auch sein Vater leitete ab 1957 so manche prestigeträchtige Botschaft, unter anderem in London und Ankara. Das traute Schröder sich auch zu. Er wusste, wie man eine Karriere als Botschafter anging: Nach dem Abitur gleich Wehrdienst bei den Fallschirmjägern, Eintritt in die CDU, Jurastudium in Passau und München, dort Abschluss zweites Staatsexamen, zwischendurch ein Erasmus-Jahr in Madrid. Noch immer waren Juristen im Auswärtigen Amt in der Mehrheit, wenn auch deutlich weniger als früher. Auch hatte der Anteil an Adeligen in der sozialliberalen Phase der Siebziger deutlich abgenommen, was er bedauerte, war er doch selbst von Adel. Nach dem Studium hatte er sich für den höheren Dienst im Auswärtigen Amt beworben, wurde aber (zu seiner eigenen Überraschung) abgelehnt. Offenbar hatte er die Sache zu sehr auf die leichte Schulter genommen. Im zweiten Anlauf klappte es dann, als einer von 50 aus etwa 1800 Bewerbern. Nun war er Attaché der 61. »Crew«, wie der Jahrgang 2007 genannt wurde. Nach 14 Monaten hatte man ihn als Legationsrat nach Santiago de Chile geschickt, wo er zwar nicht in der Politischen Abteilung, sondern bei der Kultur gelandet war, wo er aber immerhin Marysol, seine spätere Frau, kennenlernte. Ab da war alles planmäßig gelaufen, drei Jahre darauf war er, inzwischen verheiratet, zurück ins Auswärtige Amt nach Berlin gekommen, später nach Brüssel als Politischer Referent in die Arbeitsgruppe Lateinamerika, schließlich wieder nach Berlin als stellvertretender Referatsleiter in der Politischen Abteilung 3, Lateinamerika-Referat. Eigentlich ein ziemlich perfekter Lebenslauf für den nächsten und wichtigsten Schritt in Richtung Großbotschaft, denn nach etwa zwölf bis fünfzehn Jahren im Amt trennte sich noch einmal die Spreu vom Weizen mittels einer Beurteilung. Hier entschied sich, »wer Häuptling wird und wer Indianer bleibt«, wie sein Vater immer gesagt hatte.

Strategisch nicht unklug, hatte Schröder sich nicht für Washington oder Moskau beworben, das wäre zu früh zu ambitioniert gewesen und hätte schiefgehen können, aber Abteilungsleiter Politik (und gleichzeitig stellvertretender Botschafter) in Tel Aviv, das hielt er ohne Weiteres für angemessen. Aber wohin hatte ihn dieses Arschloch von Personalleiter geschickt? Nach Rabat in Marokko! Quasi aufs Abstellgleis. Warum nicht gleich auf Besoldungsstufe 15 in den Tschad oder nach Südsudan? Was war da schiefgelaufen? War seine Beurteilung nicht gut genug gewesen - und wenn ja, warum nicht?

Er hatte Spielmann, seinen Unterabteilungsleiter in Berlin, in Verdacht. Dieser hatte mehrmals gute Texte von ihm übernommen. Hatte er sie als seine eigenen ausgegeben? Und ihn jetzt auflaufen lassen, als unbequemen Mitwisser? Es könnte aber auch an der Frauenförderung des Amtes gelegen haben, die nicht nur aus Schröders Sicht mittlerweile absurde Züge angenommen hatte. Wahrscheinlich wurde irgendeine jüngere Kollegin bevorzugt, nur weil das Auswärtige Amt meinte, in Sachen Gleichstellung aufholen zu müssen. Oder war es einfach nur seine Ausstrahlung? Schon auf der Diplomatenakademie in Tegel hatte man ihn...
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