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Zürcher Verstrickungen

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
352 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am24.01.2023
Ein mitreißender Krimi über die Schuld einer Stadt und das Trauma einer Familie. Auf einem Zürcher Filmfestival feiert ein umstrittenes Dokudrama über die kolonialistische Vergangenheit der Stadt Premiere. Als eine junge Frau im Archivmaterial ihre lange verschollene Mutter zu erkennen glaubt, nehmen Werner Meier und Zita Schnyder Ermittlungen in dem Cold Case auf. Die Spuren führen die beiden zur Familie der Filmregisseurin - und hinter Reichtum und Renommee tun sich menschliche Abgründe auf.

Gabriela Kasperski war als Moderatorin im Radio- und TV-Bereich und als Theaterschauspielerin tätig. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie in Zürich und ist Dozentin für Synchronisation, Figurenentwicklung und Kreatives Schreiben. Den Sommer verbringt sie seit vielen Jahren in der Bretagne. www.gabrielakasperski.com
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEin mitreißender Krimi über die Schuld einer Stadt und das Trauma einer Familie. Auf einem Zürcher Filmfestival feiert ein umstrittenes Dokudrama über die kolonialistische Vergangenheit der Stadt Premiere. Als eine junge Frau im Archivmaterial ihre lange verschollene Mutter zu erkennen glaubt, nehmen Werner Meier und Zita Schnyder Ermittlungen in dem Cold Case auf. Die Spuren führen die beiden zur Familie der Filmregisseurin - und hinter Reichtum und Renommee tun sich menschliche Abgründe auf.

Gabriela Kasperski war als Moderatorin im Radio- und TV-Bereich und als Theaterschauspielerin tätig. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie in Zürich und ist Dozentin für Synchronisation, Figurenentwicklung und Kreatives Schreiben. Den Sommer verbringt sie seit vielen Jahren in der Bretagne. www.gabrielakasperski.com
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960419792
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum24.01.2023
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3307 Kbytes
Artikel-Nr.10854769
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Montag

«Es hat geklingelt.» Zita wand sich aus Meiers Armen. Auf seiner Stirn glitzerte Schweiss, das Haar war verwuschelt, im Kerzenlicht bemerkte sie silberne Strähnen.

«Ich denke eher, dass Sergeant Pepper gewinselt hat.» Meier horchte. «Da, schon wieder. Ich sag´s dir: Unser bretonischer Hund verträgt kein Zürcher Wintergewitter. Gleich fängt´s nämlich an zu kübeln.»

«Ich sehe lieber mal nach.» Zita schlüpfte in sein Hemd und stand auf. Als sie sich reckte, um das Dachfenster runterzuklappen, vernahm sie Stimmen aus dem Garten.

«Kommt Jessie erst jetzt nach Hause? Und bringt ausserdem jemanden mit?»

«Na, wenn schon ...» Meier war milde mit der Pflegetochter. Zu milde, dachte Zita, die sich in einem Dauerkriegszustand mit ihr befand.

«Sie hat Vertrauen zu uns, sonst würde sie sich das nicht trauen. Es sind Teenager-Schwurbeleien.»

«Jessie ist grad sechzehn geworden. Wir haben Abmachungen hier.»

«Du bist zu streng.»

«Eine muss es ja sein. Lily und Jessie wickeln dich beide um den Finger.»

«Bei Frauen ...»

«Keine Pauschalisierungen, bitte. Ausserdem ... Lily ist vier.»

«Bei den weiblichen Mitgliedern dieses Haushalts bin ich hoffnungslos nachgiebig. Wie du weisst.»

«Das klingt nett. Ist aber feige. Ich schaffe es nicht, Nein zu sagen, übernimm du das. Genau das macht unseren Mental Load so exorbitant.»

«Sprich Deutsch bitte. Ausserdem dachte ich, du willst keine Pauschalisierungen.»

Zita musste lachen. Solche Auseinandersetzungen erinnerten sie an früher, als Meier noch ein Streichquartett hatte und sie als junge Masterstudentin zum ersten Mal in einen seiner Kriminalfälle hineingezogen wurde.

Barfuss tappte sie über die Dielen zur Tür des Dachzimmers und dann die schmale Stiege hinunter. Im ersten Stock hielt sie inne. Alles gut, schwerer Kinderatem kam aus den halb geöffneten Türen. Die Jungs, Theo und Finn, acht und bald sechs, waren zu zweit, und Lily wurde von Sergeant Pepper bewacht. Er hob ein Augenlid und blinzelte sie an. Nein, von Wetterstress war da nichts zu spüren.

«Die Person, die ich suche, heisst Zita. Ich muss mit ihr sprechen.»

Diesmal hatte sie die Stimme ganz deutlich vernommen, sie drang vom Eingang unten durchs Treppenhaus, sprach Englisch, klang aufgeregt.

«Wohnt sie nicht hier? Zita Schnyder?»

«Meine Mam schläft.»

Meine Mam? Hatte ihre Pflegetochter sie gerade Mam genannt? Zita war gerührt und verzieh ihr augenblicklich alles.

Sie stieg die restlichen Stufen hinunter in den Flur, wo sie durch die halb geöffnete Haustür Jessies unförmige Vintage-Parka sah. Die Unterhaltung spielte sich auf dem Vorplatz ihres Häuschens im Sonnenbergquartier ab, eiskalte Luft drang herein.

«Was ist denn hier los?»

«Die Tür soll nicht offen stehen wegen der Holzheizung, ich weiss.» Zita erntete einen Blick aus Jessies mit Kajal umrahmten Augen unter der breiten Mützenkrempe. «Die will was von dir.»

«Lenk nicht ab, Jessie», sagte Zita. «Du bist zu spät heimgekommen. Morgen hast du Schule.»

«Stress dich, Bra.»

Türknallend verschwand Jessie in ihrem Studio, der ehemaligen Werkstatt, die vom schmalen, verwilderten Garten umgeben einseitig ans Haus grenzte.

Zita unterdrückte ein Lächeln. «Entschuldigung.» Sie musterte die Besucherin, ihr krauses, zu einem Dutt gebundenes Haar, die weite Jogginghose, die dünne Jacke, die Turnschuhe mit den dicken Sohlen, den prallen Rucksack.

«Mein Name ist Nelly Gomez», sagte sie in amerikanischem Englisch. Sie blickte über die Schulter zurück, in den dunklen Garten, wieder zu Zita, fingerte gleichzeitig an einer Halskette herum, an einem Symbol, das aussah wie eine kleine Fackel. «Ich suche meine Mutter. Sie wird vermisst.»

«Oh.» Zita hatte nicht mit so etwas gerechnet. «Und wie kann ich da helfen?»

Nelly ging nicht auf die Frage ein. «Vor einigen Wochen haben wir eine Nachricht bekommen. Mit der Post, ohne Absender.» Sie holte einen Zettel aus der Tasche ihrer Trainingshose, faltete ihn auf. «Called a murderer long ago. 11313.» Ihre Stimme zitterte, als sie es vorlas. «Wurde Mörder genannt, vor langer Zeit. Die Zahlen könnten ein Datum sein. 11. 3. 2013.»

«Was ist da passiert?», fragte Zita.

«Ich weiss es nicht. Mam wird ja schon viel länger vermisst. Aber das Wort Mörder ... ich habe Angst, dass sie ... es könnte ein Hinweis sein. Zur Polizei kann ich nicht ... sie haben uns noch nie ... die lachen mich nur aus -»

Zita unterbrach den Redeschwall. «Warum kommst du damit zu mir?»

«Du kannst mir helfen, meinte Herr Apfelbaum.» Ach so. Eli steckte dahinter, Eli Apfelbaum, Meiers Arbeitspartner. Meier und Eli führten die Agentur für besondere Affären seit einem knappen Jahr. Eine ihrer Spezialitäten war die Personensuche bei auseinandergerissenen Familien.

«Wie bist du auf die Agentur gekommen?»

«Ich habe meiner Granny aus der New York Times vorgelesen und das hier entdeckt.» Nelly nestelte in ihrem Rucksack, holte eine Dokumentenmappe hervor und daraus eine herausgerissene Zeitungsseite. «Extraordinary Family Reunion: The newly founded international Agency for Besondere Affären tops the FBI», so lautete die Schlagzeile.

Zita kannte den Artikel. Er hing gerahmt bei Apfelbaum & Meier im Büro. Dass er kurz nach Eröffnung ihrer Agentur erschienen war, war hilfreicher als jedes Marketing gewesen. In dem erfolgreich gelösten Fall war es um eine Familie gegangen, die seit dem Zweiten Weltkrieg verstreut zwischen Warschau, Amsterdam und Jerusalem lebte und sich kurz vor dem Tod der Urgrossmutter, einer Holocaustüberlebenden, wiedergefunden hatte. Das Netzwerk des begüterten Teils der Familie reichte bis in die Zeitungsredaktionen, so war der Artikel entstanden.

Für das Online-Interview hatte sich Eli einen Coiffeurtermin, spitze Lederschuhe und ein neues Béret geleistet. Meier war in seiner üblichen Lederjacke samt uralten Sneakers aufgetreten. In der Folge hatten sie einige spannende Aufträge bekommen, und der Gehaltsbonus hatte Zita, Meier und den Kindern Sommerferien in der Bretagne finanziert.

Zita war normalerweise höchstens am Rand involviert.

«Eli hat dich um die Uhrzeit zu mir geschickt?»

«Vielleicht habe ich ihn auch missverstanden.»

Ein Windstoss schüttelte den Birnbaum. Nelly sah sich erneut um, als ob sie Angst hätte.

«Komm erst mal rein.» Zita ging voraus in die Küche, wo der Ofen noch warm war und es nach Holzfeuer roch. «Willst du einen Tee? Setz dich, bitte.»

Zita nahm ihr Handy, das neben dem Wasserkocher am Aufladen war, und schrieb an Eli. «Hast du im vollen Ernst an einem Montagabend um zweiundzwanzig Uhr eine Klientin an mich verwiesen?»

Seine Antwort kam postwendend. «Weil ich gehofft habe, dass du noch auf bist.»

«Aber ich habe Feierabend. Gleich gönne ich mir Mare of Easttown », tippte sie, abwechselnd mit der Tastatur und dem Wasserkocher hantierend.

«Die Serie mit Kate Winslet?», antwortete Eli. «Die Frau erinnert mich an dich. Warum bloss?»

«Weil wir die Haare färben und alte Lederboots zum Regenmantel tragen.»

«Weil sie Superwoman ist wie du. Zwei Uni-Jobs, vier Kinder, ein Hund ... hab ich was vergessen?»

«Den Mann vielleicht?» Zita schickte einen Smiley zurück. Während sie die Teebeutel abtropfen liess, las sie Elis nächsten Text.

«Nelly Gomez kam zu mir, in der Annahme, ich wäre eine Frau. Eli wie Eliane oder Elisabeth. Mein Anblick hat sie so verschreckt, dass kein Wort mehr aus ihr rauszukriegen war. Dabei liegt der Fall genau auf unserer Linie. Wir müssen das allerdings pro bono machen, sie hat kein Geld.»

Pro bono hiess ehrenamtlich, wie die meisten von Elis Fällen. «Wir sind eine Familie von acht Personen, wenn man den Hund und die Schwiegermutter einrechnet. Ich kann mir keine Pro-bono-Fälle leisten», konstatierte Meier jeweils bei dieser Art von Anfragen.

«Mehr Einzelheiten, bitte», schrieb Zita.

«Du sollst unbelastet da rein. Verlass dich auf dein Frauenspitzengefühl.» Frauenspitzengefühl. Eli war wirklich eine Nummer.

Zita sah zu Nelly, die am Tisch sass, unsicher, was auf sie zukommen würde.

«Hast du Hunger?» Ohne die Antwort abzuwarten, durchforstete Zita den Bestand des Süssigkeitenregals. Es war ziemlich geplündert. «Oder willst du ein Sandwich?»

Sie schnitt eine Scheibe von Meiers selbst gebackenem Sonntagszopf ab, legte sie auf den einzigen sauberen Teller aus Plastik mit «Bob der Baumeister»-Motiv, dazu Butter und Käse aus dem Kühlschrank, ein Stück Gurke, eine schlaffe Karotte. Schenkte ein Glas Saft ein. Bemerkte erfreut, dass Nelly sich entspannte.

«Nun erzähl mal.» Sie setzte sich gegenüber von Nelly. «Was ist mit deiner Mutter passiert?»

«Sie heisst Bernardine Gomez. Sie ist vor mehr als zwanzig Jahren verschwunden.»

«Wie alt bist du?»

«Sechsundzwanzig. Damals war ich vier.»

Ein Kind. «Das tut mir sehr leid.» Zita dachte an ihre Kleinen, eingekuschelt in ihren Betten. An Jessie, deren aggressive Playlist durch die angrenzende Wand tönte.

«Ich nehme an, dass es eine polizeiliche Untersuchung gab.»

Nelly tippte auf die Mappe. «Darin sind die Polizeiberichte, die wir bekommen haben. Es waren nicht viele und alle ergebnislos. Die Untersuchung ist eingeschlafen.»

«Du hast deine Grossmutter erwähnt. Ist sie auch hier?»

Nelly verneinte. «Granny heisst Louisa Gomez. Sie hat ihr...
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